Arbeitszeitkonto: Vom Arbeitnehmer selbst gezählte Stunden genügen nicht

Wenn Arbeitnehmer Mehrarbeit in Form von Überstunden selbst erfassen und dokumentieren, ohne sie vom Arbeitgeber abzeichnen zu lassen, können sie daraus keinen Anspruch auf Vergütung der zusätzlichen Arbeitszeit ableiten.
Überstunden selbst erfassen

© khunkorn / Adobe Stock

Arbeitszeitkonto: Vom Arbeitnehmer selbst gezählte Stunden genügen nicht

Wenn Arbeitnehmer Mehrarbeit in Form von Überstunden selbst erfassen und dokumentieren, ohne sie vom Arbeitgeber abzeichnen zu lassen, können sie daraus keinen Anspruch auf Vergütung der zusätzlichen Arbeitszeit ableiten. Und: Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit schließt die Abgeltung von Mehrarbeit für ein geschaffenes Zeitguthaben nicht aus.

In vielen Unternehmen werden Arbeitszeitkonten geführt. Sie ermöglichen eine flexible Handhabung der Arbeitszeiten. Gibt es im Unternehmen viel zu tun, wird über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus gearbeitet. Die so entstehenden Überstunden werden dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Dieses Zeitguthaben können Arbeitnehmer später nutzen, um bei vollen Bezügen ihre Arbeitszeit zu kürzen. Sie können sich die Überstunden aber auch monetär vergüten lassen.

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Arbeitszeitkonten bieten auch Konfliktpotential

Arbeitszeitkonten bieten aber auch Raum für Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Kommt es zum Streit über den Stand des Arbeitszeitkontos, muss der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Abgeltung der Überstunden nachweisen. Das geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.9.2015 hervor (Az.: 5 AZR 767/13).

Dem Urteil vorausgegangen war die Klage einer Frau, die von ihrem Arbeitgeber im Jahr 2008 eine Arbeitszeitaufstellung mit einem Überschuss von 414 Stunden erhalten hatte. Der Arbeitgeber führte danach vertragswidrig kein Arbeitszeitkonto mehr.

Daraufhin legte die Klägerin eine eigene Liste an, in der sie ihre geleisteten Überstunden aufzeichnete. Für den Zeitraum 2008 bis 2011 erfasst sie auf diese Weise 643 Stunden zuzüglich weiterer 1,5 Stunden für den 30. und 31. August 2008, die sie zusätzlich zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit leistete. Die Klägerin legte ihrem Arbeitgeber diese Aufstellung allerdings nicht vor. Sie forderte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Vergütung von insgesamt 1.057 zusätzlichen Stunden.

Das Bundesarbeitsgericht urteilte jedoch, der Arbeitgeber müsse nur die von ihm ausgewiesenen 414 Stunden zusätzlicher Arbeitszeit vergüten, nicht aber die von der Klägerin erfassten 643 Stunden.

Aufzeichnen der Überstunden durch den Arbeitnehmer alleine genügt nicht

Der Anspruch auf die Zeitgutschrift der Überstunden lasse sich nach Meinung des Gerichts nicht alleine durch das Aufzeichnen der Tage sowie der Anfangs- und Endzeiten der Arbeit durch den Arbeitnehmer nachweisen. Die Klägerin hätte zusätzlich darlegen müssen, dass der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, gebilligt oder zumindest geduldet habe, oder dass die Überstunden zur Leistung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien.

Demnach genügen die eigenen Aufzeichnungen der Überstunden nicht, um daraus einen Anspruch auf Vergütung der zusätzlichen Arbeitszeit abzuleiten. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber das Führen eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlässt.

Vertrauensarbeitszeit schließt Arbeitszeitkonto nicht aus

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit dem Führen eines Arbeitszeitkontos und einer Saldierung von Plus- und Minusstunden nicht entgegensteht. Vertrauensarbeitszeit sehe lediglich den Verzicht des Arbeitgebers auf eine genaue Festlegung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit vor in der Annahme, dass er Arbeitnehmer seinen Arbeitspflichten auch ohne Kontrolle der Arbeitszeiten nachkomme. Damit ein Arbeitgeber den positiven Saldo eines Mitarbeiters auf dessen Arbeitszeitkonto nicht vergüten muss, ist allerdings der Nachweis zu erbringen, dass sich der Saldo entsprechend reduziert hat. Im genannten Verfahren blieb der Arbeitgeber diesen Nachweis schuldig.

Fazit

Das Urteil bedeutet für Arbeitgeber, dass sie nicht einfach zusätzliche Arbeitszeit vergüten müssen, die sich Mitarbeiter in eigener Regie selbst auferlegt haben. Existiert allerdings ein Arbeitszeitkonto, muss der Arbeitgeber dieses kontrollieren. Das zeigt ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden. Dieses hatte entschieden, dass ein Arbeitgeber zur Duldung von Überstunden auf einem Arbeitszeitkonto verpflichtet ist, auch wenn es deren Anzahl gar nicht kennt. Das gilt dann, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit zum Einblick in das Arbeitszeitkonto hat.

Für Arbeitnehmer ergibt sich aus dem Urteil die Anforderung, zusätzliche Arbeitszeit nicht nur genauestens zu dokumentieren, zum Beispiel in Form von Stundenzetteln, sondern diese auch dem Arbeitgeber rechtzeitig vorzulegen und sich bestätigen zu lassen.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.