Zusammenfassung
- Die geplante Möglichkeit für wöchentliche statt täglicher Höchstarbeitszeiten sorgt für Kritik bei den Gewerkschaften.
- Es drohten Arbeitszeiten bis zu 13 Stunden täglich.
- Solche „Gummiband-Arbeitszeiten“ schadeten der Gesundheit und der Planbarkeit des Privatlebens.
Diskussion um ‘Gummiband-Arbeitszeit’ – was ist darunter zu verstehen?
Seit sich die Gewerkschaft NGG kritisch zur geplanten Neuregelung der Höchstarbeitszeiten geäußert und dabei von “Gummiband-Arbeitszeit” gesprochen hat, ist dieser Begriff Thema vieler Diskussionen. Aber was genau ist darunter zu verstehen?
Die neue Bundesregierung aus Union und SPD hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Möglichkeit für wöchentliche anstelle von täglichen Höchstarbeitszeiten zu schaffen. Das kann spürbare Auswirkungen auf die Arbeitnehmer haben. Unter Einhaltung der Mindestruhezeit von elf Stunden innerhalb von 24 Stunden sind dann theoretisch bis zu 13 Stunden Arbeitszeit an einem Tag möglich.
Das führte zur Kritik der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Düsseldorf-Wuppertal. Sie befürchtet eine Zunahme von sehr langen Arbeitstagen, insbesondere in der Gastronomie. NGG-Geschäftsführerin Zayde Torun spricht vom “Schuften bis ans Limit”. Es komme einiges auf Köche, Kellnerinnen und Co. zu. Der “10 plus X”-Stundentag sei nichts anderes als Gummiband-Arbeitszeit.
Nach zehn Stunden oder mehr könne niemand mehr konzentriert arbeiten. Die Folgen seien eine höhere körperliche Belastung und eine höhere Unfallgefahr. Auch werde die Planbarkeit des Privatlebens dadurch beeinträchtigt. Probleme gebe es zum Beispiel für diejenigen, die sich um die Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen kümmerten.
Auch die geplanten Anreize für mehr Überstunden sieht Torun kritisch. Das führe nur zu einem weiteren Anstieg der angehäuften Überstunden und verhindere Neueinstellungen. Allerdings sagte sie nicht, woher das Personal für neue Stellen angesichts des herrschenden Fachkräftemangels insbesondere in der Gastronomie kommen soll.
Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, Zuschläge für Überstunden steuerfrei zu stellen, sofern die Arbeitszeit über die tariflich vereinbarte oder die an Tarifverträgen orientierte Vollarbeitszeit hinausgehen.
Der DGB fordert, dies müsse zusammen mit einer verbindlichen Arbeitszeiterfassung geschehen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Überstunden nicht oder nicht vollständig erfasst und auch nicht vergütet werden.
Bewertung
Obwohl durch die geplanten Änderungen theoretisch Arbeitszeiten von bis zu 13 Stunden pro Tag möglich wären, dürfte es dazu eher selten kommen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens sollen längere Arbeitszeiten freiwillig bleiben, und zweitens soll die Änderung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie stehen. Diese sieht eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vor. Einschränkend muss erwähnt werden, dass Freiwilligkeit ein relativer Begriff ist. In manchen Fällen dürfte es Mitarbeitern schwerfallen, sich dem Wunsch ihres Arbeitgebers nach längeren Arbeitszeiten zu verschließen, etwa dann, wenn sich das Unternehmen in einer wirtschaftlich problematischen Lage befindet.
Und: Die 48 Stunden wöchentlicher Höchstarbeitszeit aus der EU-Richtlinie sind nur ein Durchschnittswert, der über einen Zeitraum von mehreren oder sogar mehreren Monaten berechnet wird. Damit sind deutlich längere Wochenarbeitszeiten möglich, wenn dies später durch entsprechend kürzere Arbeitszeiten ausgeglichen wird.
Letztendlich ist es schwierig, eine Bewertung zu finden, die gleichermaßen für alle Branchen und Jobs passt. Während längere Arbeitszeiten in manchen Jobs sicherlich zumindest vorübergehend möglich und vielleicht sogar von den Mitarbeitern gewünscht sind, sieht es in Berufen mit einer hohen körperlichen oder mentalen Belastung anders aus.