Arbeitszeiterfassung: keine Ausnahmen für Lehrer und die Wissenschaft geplant
Das Bundesarbeitsministerium lehnt Ausnahmen bei der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Lehrer und Wissenschaftler ab. Entsprechende Forderungen waren kürzlich wieder gestellt worden.
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland besteht unabhängig von Job und Branche. Zwar gibt es einzelne Ausnahmen wie zum Beispiel für leitende Angestellte und Geschäftsführer, doch ansonsten ist nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Arbeitszeit grundsätzlich zu erfassen. Dabei bezog sich das Gericht auf das geltende Arbeitsschutzgesetz und stellte fest, dass alle Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, ein System zur Zeiterfassung einzurichten und zu nutzen.
- Arbeitszeiten erfassen
- Dokumentationspflicht einhalten
- Arbeitszeitkonten digital verwalten
- Zeiten auswerten und exportieren
Von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sind auch Lehrer, Beamte und die Wissenschaft betroffen. Das sorgt bei einigen Beteiligten für Kritik. So hatte zum Beispiel der damalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, bereits vor vier Jahren Sonderregelungen gefordert, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Unternehmen in der EU festgestellt hatte.
Präsidentin der Kultusministerkonferenz fordert Ausnahmen für Lehrer und Wissenschaftler
Nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) zur Reform der Arbeitszeiterfassung im April dieses Jahres war klar, dass es in der Wissenschaft und auch für Lehrer keine Ausnahmen geben soll. Dies nahm offenbar Berlins Bildungssenatorin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) Katharina Günther-Wünsch (CDU) zum Anlass, sich per Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu wenden und auf gesetzlichen Sonderregelungen für Lehrkräfte und Wissenschaftler zu bestehen.
Günther-Wünsch kritisiert in ihrem Schreiben an das BMAS, der aktuelle Referentenentwurf trage der „besonderen Situation der Lehrkräfte“ nicht Rechnung. Die Arbeitszeiten von Lehrkräften seien nicht oder nur zum Teil messbar. Möglich sei das nur für die erteilten Unterrichtsstunden, nicht aber für die zahlreichen außerunterrichtlichen Tätigkeiten wie zum Beispiel die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Korrekturen, Eltern- und Schülerbesprechungen, Verwaltungsarbeiten, Aufsichten etc. Die dafür anfallenden Arbeitszeiten könnten nicht prognostiziert oder durch den Arbeitgeber überprüft werden. Es gehöre zum Berufsbild der Lehrkraft, dass sie ihre Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig ausübt.
Günther-Wünsch führte außerdem an, dass eine Ungleichbehandlung drohe, weil die geplante Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nur für tarifbeschäftige Lehrkräfte gelten würde. Das widerspreche dem europäischen Arbeitnehmerbegriff. Zudem hänge die Attraktivität des Lehrerberufs mit der Flexibilität der Arbeitseinteilung zusammen.
Bundesarbeitsministerium lehnt Ausnahmeregelungen ab
In der Antwort aus dem Bundesarbeitsministerium heißt es laut einem Beitrag des Journalisten Dr. Jan-Martin Wiarda, der unter anderem für den Tagesspiegel und die Süddeutsche schreibt, bei der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung könne es nach Auffassung des BMAS keine grundsätzlichen Ausnahmen geben. Das gelte sowohl für Schulen sowie für Hochschulen und andere Wissenschaftseinrichtungen. Auch für Beamte gelte die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.
Auf den Vorwurf einer möglichen Ungleichbehandlung zwischen tarifgebundenen und verbeamteten Lehrkräften entgegnet das BMAS es, es sei richtig, dass der europäische Arbeitnehmerbegriff auch Beamte einschließe. Daher müssten die Innenministerien des Bundes und der Länder die Auswirkungen des EuGH-Urteils von 2019 prüfen.
Das bedeutet sehr wahrscheinlich, dass auch für beamtete Lehrer sowie andere Beamte die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Das lässt sich auch aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung ableiten, das sich auf das Arbeitsschutzgesetz bezieht. Das Arbeitsschutzgesetz bezieht auch Beamte mit ein.
BMAS: Ausnahmevorschrift für Europäische Arbeitszeitrichtlinie wird streng ausgelegt
Auf die Forderung von Günther-Wünsch, die Anwendung der Ausnahmevorschrift in der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie auf die Wissenschaft zu prüfen, heißt es aus dem BMAS, die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten seien bereits heute für Arbeitnehmer in Schulen und Hochschulen einzuhalten und würden durch die Arbeitszeiterfassung nicht verändert. Nachteilige Auswirkungen seien durch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht ersichtlich.
Die Europäische Arbeitszeitrichtlinie nimmt solche Personen von der Zeiterfassung aus, deren Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und / oder im Voraus festgelegt werden kann. Auch Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis sind ausgenommen.
In der Antwort des BMAS heißt es dazu, diese Ausnahmeregelung werde vom EuGH eng ausgelegt. Sie gelte nur für solche Arbeitnehmer, deren gesamte Arbeitszeit (sowohl Dauer als auch Lage) aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit nicht gemessen werden kann, nicht im Voraus festgelegt wird oder von vom Arbeitnehmer selbständig festgelegt werden kann. Wenn das nur für einen Teil der Arbeitszeit gelte, finde die Ausnahmeregelung dagegen keine Anwendung.
Fazit
Laut Ansicht des BMAS besteht bereits heute die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Lehrer, Beamte und Mitarbeiter in der Wissenschaft. Unsicherheit besteht lediglich noch mit Blick auf Professoren: Hier steht die Entscheidung noch aus, ob auch sie ihre Arbeitszeiten erfassen müssen.
Klar ist jedoch: Mit jedem Tag, der vergeht, ohne dass die Gesetzesnovelle verabschiedet wird, steigt bei den Beteiligten die Unsicherheit. Es ist daher an der Zeit, dass die Bundesregierung hier zu einer Einigung kommt.