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Arbeitszeiterfassung: Streit zwischen Marburger Bund und Unikliniken verdeutlicht Regelungslücke
Der aktuelle Streit zwischen der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und den Unikliniken zeigt, dass es in Punkto Verfahren zur Arbeitszeiterfassung zu unterschiedlichen Interpretationen kommen kann. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, denn Unternehmen benötigen Planungssicherheit.
TL;DR
- Es gibt einen Streit zwischen dem Marburger Bund und vielen Unikliniken über die tarifkonforme und manipulationssichere Arbeitszeiterfassung von Ärzten.
- Die Gewerkschaft kritisiert, dass oft nicht elektronisch und manipulationsfrei erfasst wird und Überstunden nicht anerkannt werden, obwohl ein EuGH-Urteil dies fordert. Die Unikliniken weisen die Kritik zurück und sehen ihre Systeme als ausreichend an.
- Diese Situation verdeutlicht eine Regelungslücke und den Bedarf an Klarheit durch den Gesetzgeber, da die Auslegung trotz Gerichtsurteilen zu Konflikten führt.
Derzeit streiten die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und verschiedene Unikliniken darüber, ob die Arbeitszeiterfassung der Ärztinnen und Ärzte in den Einrichtungen so geregelt ist wird, wie es der geltende Tarifvertrag vorgibt. Ausdrücklich ausgenommen sind die Unikliniken in Hamburg, Berlin, Mainz und Hessen, weil dort andere Regelungen gelten.
Zur Dokumentation der Arbeitszeiten ist in § 10 des Tarifvertrags der folgende Absatz zu finden:
“Die Arbeitszeiten der Ärzte sind durch elektronische Verfahren so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz dokumentiert ist. Dabei gilt die gesamte Anwesenheit der Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit. Soweit dienstplanmäßig vorgesehene Pausen nicht gewährt worden sind, ist die Dokumentation auf entsprechenden Hinweis der Ärztin/des Arztes zu korrigieren; das Gleiche gilt, sobald der Arbeitgeber auf sonstige Weise von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hat. Eine von Satz 2 abweichende Bewertung ist nur bei Nebentätigkeiten zulässig, die keine Dienstaufgaben sind, und bei privaten Tätigkeiten der Ärztin/des Arztes. Die Ärztin/Der Arzt hat insbesondere zur Überprüfung der dokumentierten Anwesenheitszeiten nach Satz 1 ein persönliches Einsichtsrecht in die Arbeitszeitdokumentation. Die Einsicht ist unverzüglich zu gewähren. Die näheren Einzelheiten der Arbeitszeitdokumentation nach den Sätzen 1 bis 6 können durch die Betriebsparteien geregelt werden.”
Es ist also festgelegt, dass die komplette Arbeitszeit abzüglich Pausen zu erfassen ist. Zudem hat der Arbeitnehmer das Recht, unmittelbar Einblick in seine erfassten Arbeitszeiten zu nehmen.
Vorgaben aus dem Tarifvertrag werden unterschiedlich interpretiert
Trotz dieser recht klaren Festlegung gibt es offenbar unterschiedliche Auffassungen darüber, ob und inwieweit die tariflich vereinbarten Regelungen zur Arbeitszeiterfassung tatsächlich erfüllt wurden. Eine Umfrage des Marburger Bundes hatte laut einer Pressemitteilung Verstöße gegen die Vorgaben des Tarifvertrags ergeben. Die Frage “Wie wird Ihre Arbeitszeit aktuell erfasst” gaben lediglich 17 Prozent an, dass dies elektronisch und manipulationsfrei erfolge. Bei 4,3 Prozent findet demnach keinerlei Arbeitszeiterfassung statt. 17 Prozent erfassen die Arbeitszeiten von Hand, zum Beispiel über Excel-Listen.
Auch wenn der Schutz vor Manipulationen im Tarifvertrag nicht erwähnt wird, so gilt diese Vorgabe spätestens nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019. Dieses hatte entschieden, dass Arbeitgeber in der EU ein Zeiterfassungssystem anbieten müssen, das objektiv, verlässlich und zugänglich ist. Das schließt auch den Schutz vor Manipulationen ein.
Der Marburger Bund kritisiert weiter, dass sich drei Viertel der betroffenen Beschäftigten Überstunden genehmigen lassen müssten. Oftmals werde eine Anerkennung verwehrt, so dass wöchentlich bis zu zehn Arbeitsstunden nicht erfasst würden.
Die Unikliniken weisen die Kritik zurück. So heißt es zum Beispiel nach einem Bericht des NDR vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), der geltende Tarifvertrag setze keine klassische Stechuhr voraus. Es seien auch andere Verfahren zulässig, zu denen auch Apps und Tabellen gehören. Das verwendete System zur Arbeitszeiterfassung erfülle die tariflichen Anforderungen. Auch die selbständige Erfassung von Mehrarbeit durch die Ärzte sei damit möglich.
Gesetzgeber in der Pflicht
All das zeigt ein offensichtliches Problem: Obwohl die Rechtslage vor allem nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2022 klar ist, in dem die allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestätigt wurde, gibt es immer wieder Streit über die Auslegung und die Interpretation der Regelungen.
Das wollte die letzte Bundesregierung eigentlich mit einer Neufassung des Arbeitszeitgesetzes ändern, doch über einen Referentenentwurf kam das Gesetz nie hinaus.
So liegt der Ball nun bei der Schwarz-Roten Bundesregierung, die sich im Koalitionsvertrag auf eine unbürokratische Regelung der Arbeitszeiterfassung verständigt hatte, ohne dies näher zu definieren.
Zusammenfassung
Wie ist die Arbeitszeit von Ärzten an den Unikliniken im Land zu erfassen? Trotz entsprechender Regelungen im Tarifvertrag gibt es darüber unterschiedliche Auffassungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.