Diskussion um Arbeitszeiterfassung: Laut Rechtsanwalt ‘kann man nicht dagegen plädieren’

In einer Diskussion um die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung haben zwei Rechtsanwälte verschiedene Argumente ausgetauscht.

Zusammenfassung

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist unbestritten. Diskussionen gibt es allerdings über die Umsetzung und in der Frage, welche Ausnahmen es geben sollte. Das zeigt ein aktuelles Gespräch zwischen zwei Anwälten für Arbeitsrecht.

Arbeitszeitgesetz

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Diskussion um Arbeitszeiterfassung: Laut Rechtsanwalt ‘kann man nicht dagegen plädieren’

In einer Diskussion um die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung haben zwei Rechtsanwälte verschiedene Argumente ausgetauscht. Einigkeit besteht in der Frage, dass die Pflicht besteht. Bei der Umsetzung gibt es jedoch abweichende Auffassungen.

In einer Ausgabe der Reihe “Streitkultur” im Deutschlandfunk ging es zuletzt um die Frage: “Brauchen wir die Rückkehr zur Stechuhr?” Gemeint war die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, die nach verschiedenen Gerichtsurteilen für Arbeitgeber in der EU besteht. Diskutiert haben auf Arbeitnehmerseite der Fachanwalt für Arbeitsrecht Stefan Chatziparaskewas und auf Arbeitgeberseite sein Kollege Philipp Byers.

Passt das geltende Arbeitszeitgesetz noch in die heutige Zeit?

Byers kritisierte vor allem, das geltende Arbeitszeitgesetz passe nicht mehr in die heutige Zeit. Es stamme aus einer Zeit, in der Arbeiter morgens in die Fabrik gefahren seien, dort ihre Mittagspause verbracht haben, um danach ihre Arbeit fortzusetzen und anschließend wieder nach Hause zu fahren. Heute seien Arbeit und Freizeit viel stärker vermischt. Das bilde das Arbeitszeitgesetz nicht ab.

Sein Kollege Stefan Chatziparaskewas merkte dazu an, gerade die Vermischung von Arbeit und Freizeit könne zu gesundheitlichen Problemen führen, weil es dadurch erschwert werde, abzuschalten. Wenn man zum Beispiel spät am Abend noch E-Mails beantworte, könne das den Schlaf beeinträchtigen.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist unstrittig

Zur Frage, ob denn eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestehe, räumte Byers ein, diese Frage sei nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 gar nicht zu diskutieren. Das Gericht hatte damals die Pflicht für Arbeitgeber in der EU festgestellt, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung anzubieten. Byers plädierte allerdings dafür, den Unternehmen bei der Auswahl eines Zeiterfassungssystems größtmögliche Spielräume zu gewähren.

Chatziparaskewas berief sich bei der Argumentation für eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung mehrmals auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022. Das Gericht hatte die Pflicht für eine Zeiterfassung mit dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter begründet und das Arbeitsschutzgesetz als Rechtsgrundlage genannt.

Zudem betonte Chatziparaskewas, die Arbeitszeiterfassung sei mit modernen Werkzeugen eine Sache von Sekunden. Das Argument, Arbeitszeiterfassung erhöhe die Bürokratie, sei nur vorgeschoben.

Für wen soll Vertrauensarbeitszeit gelten?

Zur Frage der Vertrauensarbeitszeit, die im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie weiter möglich sein soll, nannte Byers leitende Angestellte und kreative Mitarbeiter als Beispiele. Chatziparaskewas bezog sich dagegen auf “normale” Arbeitnehmer mit einer 40-Stunden-Woche, bei denen Vertrauensarbeitszeit zu einer Mehrarbeit von 15 Prozent geführt habe. Das könne zu einer Überlastung führen. Byers bestätigte, dass man im Niedriglohnsektor und bei Normalverdienern aufpassen müsse. Hier dürfe es nicht zu inflationären Überstunden und zur Ausbeutung kommen. Denkbar sei auch eine Verdienstgrenze, die bei etwa 90.000 Euro im Jahr liegen könnte. Wer einen solchen Job übernehme, der wisse, dass er große Verantwortung übernehme. Solche Arbeitnehmer könne man als leitende Angestellte definieren und damit im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie von der Arbeitszeiterfassung ausnehmen.

Chatziparaskewas entgegnete, eine Differenzierung anhand der Vergütung sei keine gute Idee, denn der Schutz der Gesundheit sei auch für diejenigen wichtig, die 90.000 Euro im Jahr oder mehr verdienen.

Arbeitszeiterfassung für Lehrer

Ein weiteres Thema war die Arbeitszeiterfassung für Lehrer. Konkret ging es um das Bundesland Bremen, das einen Pilotversuch zuletzt auf das Jahr 2026 verschoben hatte. Chatziparaskewas vertrat hier die Meinung, der Grund dafür sei, dass man weiter auf kostenlose Überstunden der Lehrkräfte setzen möchte. Man solle dagegen vielmehr den Arbeitsdruck reduzieren.

Byers erklärte das dagegen damit, man wisse nicht, wie man Arbeit definieren solle. Sei es zum Beispiel Arbeit, wenn ein Geschichtslehrer in seiner Freizeit ein Geschichtsmagazin lese und sich überlege, wie man das in den Lehrplan integrieren könne?

Bewertung

Unstrittig zwischen den Teilnehmern der Diskussion war, dass es eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gibt. Unterschiedliche Auffassungen gab es dagegen beispielsweise bei der Frage, welche Arbeitnehmer davon betroffen sein sollten.

Insgesamt schien die Schnittmenge zwischen den Positionen aber recht groß zu sein. Bleibt die Frage, wie die Politik mit dem Thema weiter verfahren wird. Geplant ist bisher eine “unbürokratische” Umsetzung mit Übergangsregelungen für kleine und mittlere Unternehmen.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.