Bringt kürzere Arbeitszeit eine höhere Produktivität?

Ein Argument, das Befürworter kürzerer Arbeitszeiten immer wieder anführen, ist eine damit verbundene höhere Produktivität der Beschäftigten.
Arbeit im Schichtbetrieb am Fließband

© ABUATOP / Adobe Stock

Bringt kürzere Arbeitszeit eine höhere Produktivität?

Ein Argument, das Befürworter kürzerer Arbeitszeiten immer wieder anführen, ist eine damit verbundene höhere Produktivität der Beschäftigten. Doch ist es wirklich so, dass die Leistung der Mitarbeiter steigt, wenn sie kürzer arbeiten?

Sechs-Stunden-Tag, Vier-Tage-Woche oder 35-Stunden-Woche – all das sind Arbeitszeitmodelle, die im Zusammenhang mit Forderungen nach kürzeren Arbeitszeiten immer wieder genannt werden. Als Argument für eine Verkürzung wird neben einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch immer wieder eine angeblich im Vergleich zu einem Acht-Stunden-Tag höhere Produktivität der Beschäftigten genannt.

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Ein weit verbreitetes Missverständnis zur Produktivität

Wenn in manchen Medien von Produktivität die Rede ist, wird dies fälschlicherweise mit der Produktion oder dem Output verwechselt. So lautet eine Forderung zum Beispiel, bei kürzeren Arbeitszeiten dürfe die Produktivität nicht sinken.

Dabei ist die Produktivität einfach als Quotient aus Output (also der Produktion) und Input (der Arbeitszeit) zu sehen. Bei einer sinkenden Arbeitszeit und einer gleichbleibenden Produktivität würde der Output sinken. Die Produktivität müsste also ansteigen, um bei sinkender Arbeitszeit die Produktion aufrechtzuerhalten.

Wie wirken sich kürzere Arbeitszeiten auf die Produktivität aus?

Zu den Effekten kürzerer Arbeitszeiten gibt es verschiedene Untersuchungen und Quellen. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte Henry Ford den 8-Stunden-Tag in den Ford-Werken ein und erhöhte den Stundenlohn. Der Produktion schadete das nicht. Allerdings darf hierbei nicht vergessen werden, dass Ford weitere Optimierungen der Arbeitsabläufe einführte, wie zum Beispiel spezialisierte Aufgaben der Mitarbeiter am Fließband. Auch diese hatten Auswirkungen auf die Produktivität. Inzwischen hat sich übrigens gezeigt, dass zu starke Spezialisierung und Standardisierung im Sinne des Taylorismus kontraproduktiv sein können.

Studien zu den Auswirkungen kürzerer Arbeitszeiten

Eine Studie aus Großbritannien, bei der knapp 2.000 Büroarbeitskräfte befragt wurden, ergab, dass nur ein recht geringer Teil der täglichen Arbeitszeit tatsächlich produktiv für den Arbeitgeber genutzt wird. Nach Auswertung aller Antworten der befragten Personen lag die durchschnittliche produktive Arbeitszeit bei gerade einmal zwei Stunden und 53 Minuten. Die restliche Zeit verbringen die Beschäftigten vor allem mit Social Media, dem Besuch von News-Websites und Gesprächen mit Kollegen über Themen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Auch Kaffeetrinken, Raucherpausen und das Senden von Textnachrichten gehen zu Lasten der produktiven Arbeitszeit. Interessant vor allem: 19 Prozent der Befragten gaben an, während der Arbeitszeit nach einem neuen Job zu suchen. Daraus ließe sich folgern, dass kürzere Arbeitszeiten zumindest zu einem höheren Anteil produktiver Arbeitszeit führen könnten.

Sind also acht Stunden Arbeitszeit zu viel? Zumindest zeigte eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung eine positive Korrelation zwischen kürzeren Arbeitszeiten und einer höheren Produktivität. Verglichen wurden die wöchentliche Arbeitszeit und der Produktivitätsindex in den einzelnen EU-Ländern. Der Produktivitätsindex von 100 entspricht dabei dem EU-Durchschnitt. Deutschland als eines der Länder mit den kürzesten Arbeitszeiten kommt auf einen Produktivitätsindex von 110. Bulgarien, das im Vergleichsfeld der Studie mit 40,7 Stunden die höchste Wochenarbeitszeit aufweist, bringt es dagegen gerade einmal auf einen Produktivitätsindex von 30,4.

Die Ergebnisse der Studie sind allerdings anzuzweifeln, denn es gibt verschiedene Faktoren, die sich auf die Produktivität der Beschäftigten auswirken. Dazu gehören zum Beispiel auch die technische Ausstattung und die Infrastruktur. Hier dürfte Deutschland im Gegensatz zu manchen Ländern mit höheren Arbeitszeiten und einer geringeren Produktivität noch immer gut aufgestellt sein.

Auswirkungen zu langer Arbeitszeiten auf die Gesundheit

Klar scheint hingegen zu sein, dass zu lange Arbeitszeiten negative Auswirkungen auf Gesundheit und Psyche haben können. Schlafprobleme, Nervosität, Stress bis hin zu Burnout können die Folge sein. Aus diesem Grund ist die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit auch mit dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten verbunden.

Kürzere Arbeitszeiten könnten dementsprechend positive Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmer haben und sich begünstigend auf die Arbeitsleistung und damit auch auf die Produktivität auswirken.

Arbeitszeitverkürzung ist nicht gleich Arbeitszeitverkürzung

Wenn von kürzeren Arbeitszeiten die Rede ist, geht es um verschiedene Modelle. Oft genannt werden zum Beispiel die 35-Stunden-Woche oder auch die Vier-Tage-Woche. Und selbst bei der Vier-Tage-Woche gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Sehr beliebt ist zum Beispiel das 100-80-100-Modell. Dieses besagt, dass 100 Prozent der Arbeitsleistung in 80 Prozent der Arbeitszeit erbracht wird. Dafür gibt es 100 Prozent des Lohns / des Gehalts. Eine andere Variante der Vier-Tage-Woche ist die Verteilung der gleichen Wochenarbeitszeit, die zuvor an fünf Tagen geleistet wurde, auf dann nur noch vier Tage. Bei einer 40-Stunden-Woche müssen die Beschäftigten also zehn statt acht Stunden pro Tag arbeiten. Ob sich bei diesem Modell positive Auswirkungen auf Gesundheit und Produktivität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergeben, darf zumindest bezweifelt werden.

Sechs-Stunden-Tag oder Fünf-Stunden-Tag

Manche Arbeitgeber wählen einen ganz anderen Weg: Sie reduzieren die tägliche Arbeitszeit auf sechs oder sogar auf fünf Stunden, und das bei gleichem Gehalt. Dafür wird in der verbleibenden Zeit besonders konzentriert und möglichst unterbrechungsfrei gearbeitet. Eine solche Umstellung kann sich durchaus nicht nur positiv auf die Zufriedenheit und die Gesundheit der Beschäftigten auswirken, sondern sogar für mehr Umsatz sorgen. Das zeigt das Beispiel von Toyota in Schweden. Im Werk Göteborg wurde im Jahr 2003 die Arbeitszeit auf sechs Stunden pro Tag reduziert. Dennoch konnte der Umsatz gesteigert werden.

Allerdings gab es in Schweden auch in anderen Einrichtungen wie zum Beispiel in verschiedenen Alten- und Pflegeheimen Versuche mit dem Sechs-Stunden-Tag, die erfolglos verliefen und zu hohen Kosten und sogar zu einem erhöhten Krankenstand führten.

Wie lässt sich die Produktivität bei kürzerer Arbeitszeit erhöhen?

Klar ist: Sollen sich das Produktionsergebnis und der Umsatz bei einer Reduzierung der Arbeitszeit nicht verschlechtern, muss die Produktivität in dem Maß steigen, in dem die Arbeitszeit sinkt. Stellt ein Unternehmen zum Beispiel von einer Fünf-Tage-Woche auf eine Vier-Tage-Woche um, ohne die tägliche Arbeitszeit oder die Löhne und Gehälter anzupassen, muss die Produktivität um 20 Prozent steigen.

In bestimmten Branchen und Unternehmen gibt es durchaus Potential für Produktivitätssteigerungen wie zum Beispiel durch den Verzicht auf unnötige Meetings, durch eine Straffung der Abläufe oder durch verbesserte Technik und Software.

Es gibt aber auch Branchen und Berufe, in denen sich die Produktivität kaum steigern lässt. Beispiele sind die Pflege oder die Bahn. Die Fürsorge für pflegebedürftige Personen ist in kürzerer Zeit ebenso wenig effizienter zu gestalten wie das Führen eines Zuges.

Außerdem stellt sich die Frage, warum bestehende Produktivitätsreserven nicht einfach bei bestehenden Arbeitszeiten genutzt werden. Auch bei einem Acht-Stunden-Tag können schließlich unnötige Meetings gestrichen werden.

Bleiben also nur der geringere Krankenstand und die höhere Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter als Hebel für eine höhere Produktivität.

Fazit: Produktivitätsgewinn wird die kürzeren Arbeitszeiten nicht immer ausgleichen können

Kürzere Arbeitszeiten bei gleichbleibendem Output sind nur bei einer gestiegenen Produktivität möglich. Ob sich die Produktivität gesamtwirtschaftlich im gleichen Maß steigern lässt, in dem die Arbeitszeiten sinken, darf bezweifelt werden. Dafür spricht alleine der Umstand, dass es Branchen und Jobs gibt, in denen kaum Potential für Produktivitätssteigerungen besteht.

Sollen die Arbeitszeiten dennoch verkürzt werden, bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder verzichten die Beschäftigten auf einen Teil ihres Lohns bzw. ihres Gehalts, oder die Unternehmen müssen mit Umsatzrückgang und gesunkenen Gewinnen rechnen. Das wiederum kann die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch Arbeitsplätze gefährden.

Eine gewisse Bereitschaft der Mitarbeiter zum Verzicht auf Einkommen zugunsten kürzerer Arbeitszeiten zeichnet sich ab: So zeigte eine Studie aus dem Jahr 2023, dass 54 Prozent der deutschen Arbeitnehmer eine Vier-Tage-Woche einer Gehaltserhöhung vorziehen würden.

Sehr wahrscheinlich wird es je nach Branche zu unterschiedlichen Entwicklungen kommen. Dort, wo es möglich ist, die gleiche Arbeit auch in kürzerer Zeit zu erbringen, wird es sehr wahrscheinlich zu Reduzierungen der Arbeitszeit wie zum Beispiel in Form einer Vier-Tage-Woche kommen. In Branchen mit geringen Produktivitätsreserven wird die Verfügbarkeit von Fachkräften eine wichtige Rolle spielen. Umso ausgeprägter der Fachkräftemangel ist, desto eher werden die Unternehmen dazu bereit sein, kürzere Arbeitszeiten anzubieten, um auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu sein.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.