35-Stunden-Woche

Die 35 Stunden Woche gewinnt in der modernen Arbeitswelt stetig an Bedeutung. Die Einführung im eigenen Unternehmen ist dennoch mit Herausforderungen verbunden und benötigt eine durchdachte Integration der Mitarbeiter.
35 Stunden Woche

Seit der Novellierung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zum 1. Januar 2019 wird deutlich, dass die 40-Stunden-Woche als Arbeitsmodell branchenübergreifend ausgedient hat. Denn immer mehr Arbeitnehmer wollen nicht nur flexibler, sondern auch kürzer arbeiten. Die reduzierten Wochenarbeitszeiten sind neben solchen Trends wie Homeoffice, Sabbatical und Workation ein Thema Nummer eins. Die 35-Stunden-Woche bietet sich als Konzept an, das einem modernen und bedürfnisorientierten Berufsleben entsprechen kann. Worin genau dieses Konzept besteht und welche historischen Wurzeln es hat, erfahren Sie in unserem Artikel.

Definition: Was bedeutet 35-Stunden-Woche?

Bei der 35-Stunden-Woche handelt es sich um die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden. Dies ist das Ergebnis der seit den 1980er Jahren geführten Auseinandersetzung zwischen den Gewerkschaften in der Metall- und Druckindustrie, Unternehmerverbänden sowie politischen Parteien. Die Grundidee hinter der 35-Stunden Woche ist, die Arbeitsbelastung der Beschäftigten zu verringern sowie ein menschenfreundliches und ressourcenschonendes Arbeits- und Lebenskonzept zu erarbeiten.

Historischer Abriss zur 35-Stunden-Woche

Die Diskussion rund um die 35-Stunden-Woche geht auf die Wirtschaftskrise Mitte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre zurück. Davon besonders betroffen war unter anderem die Metallindustrie, in der die Zahl der Beschäftigten allein im Zeitraum von 1980 bis 1983 um 10 Prozent geschrumpft war. Auch die Druckindustrie erfuhr die Massenarbeitslosigkeit. Im Jahrzehnt zwischen 1973 und 1983 verlor dort über 20 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitsplätze. Ende 1983 sprach man offiziell von 2,5 Millionen Arbeitslosen aufgrund der wirtschaftlichen Rezession, die ab 1980 in der Bundesrepublik Deutschland neu entflammte.

Zur Wirtschaftskrise trugen verschiedene Faktoren bei. Die fortschreitende Internationalisierung und ein starker Wunsch nach technischer Rationalisierung in Unternehmen prägten die damalige schwierige Situation. Auch gesellschaftliche Veränderungsprozesse, Unzufriedenheit der Arbeitnehmer aufgrund der fehlenden Grundrechte und die immer lauter gewordene Kritik an einer durch die Industrie bedingten Umweltzerstörung blieben nicht ohne Einfluss. Das bisherige Modell fordistischer Regulation wurde verstärkt in Frage gestellt.

Verkürzung der Wochenarbeitszeit: Forderung und schrittweise Erfolge

Die Gewerkschaft IG Metall sah technische Produktivitätszuwächse nicht unkritisch und war darum bemüht, individuelle und gesamtwirtschaftliche Folgen rationalisierter Arbeitskraft zu hinterfragen. Die Arbeitszeitverkürzung der Arbeitsstunden auf 35 Stunden pro Woche war ihr Vorschlag, um einerseits dem rationalisierungsbedingten Stellenabbau innerhalb der Industrie gegenzusteuern und andererseits die Lebensbedingungen der Beschäftigten zu verbessern. Zwischen dem 14. Mai 1984 und dem 4. Juli 1984 kam es zum Streik der IG Metall, um die Arbeitszeitverkürzung schließlich durchzusetzen. „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen” lautete ihr Motto.

Diese Auseinandersetzung brachte nicht sofort den gewünschten Erfolg, dennoch hatte sie zu einer erheblichen Arbeitszeitflexibilisierung in verschiedenen Branchen in den darauffolgenden Jahren geführt. So wurde am 1. Oktober 1984 in der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie die 38-Stunden-Woche eingeführt. Zwei Jahre später wurde die 38,5-Stunden-Woche im Groß- und Einzelhandel sowie in der Papierverarbeitung und im Metallhandwerk Wirklichkeit. Ab dem 1. Januar 1987 konnten Arbeitnehmer im Bank- und Versicherungsgewerbe von der 38,75-Stunden-Woche profitieren.

Im selben Jahr gelang es den Gewerkschaften in der Metall- und Druckindustrie, in einem zweiten Schritt die Wochenarbeitszeiten auf 37 Stunden zu reduzieren. 1990 erzielten Metall IG sowie IG Druck und Papier einen Tarifvertrag in Bezug auf die schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche bis zum Jahr 1995.

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Wann wurde die 35-Stunden-Woche eingeführt?

Im Jahr 1984 streikten die Metallerinnen und Metaller in Baden-Würtemberg sieben Wochen lang, um die 35-Stunden-Woche einzuführen. Erst 1995 wurde die Verkürzung der Wochenarbeitszeit in der (westdeutschen) Metallindustrie Realität. Auf dem Gebiet der damaligen DDR dauerte der Kampf der IG Metall für die Einführung der 35-Stunden-Woche viel länger. Im Jahr 2021 gelang es schließlich, die Arbeitszeitverkürzung in Berlin, Brandenburg und Sachsen zu verwirklichen. 2022 setzt die Gewerkschaft ebenfalls in Sachsen-Anhalt und Thüringen einen tariflichen Rahmen durch.

Das Jahr 1995 ist auch in die Geschichte der Druckindustrie eingegangen: Ab dem 1. April galt für die Beschäftigten in den westdeutschen Druckbetrieben erstmals die 35-Stunden-Woche.

Gut zu wissen: Die Angleichung an den Westen kommt schrittweise. Derzeit profitieren rund 60 Prozent der Mitglieder der IG Metall von der 35-Stunden-Woche. Bis spätestens 2027 soll die Reduzierung der Arbeitswoche von 38 auf 35 Stunden unter anderem in solchen Betrieben wie Mercedes in Ludwigsfelde und BMW in Leipzig erreicht werden.

Was sind Vor- und Nachteile der 35-Stunden-Woche?

Die Wochenarbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bringt sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich, die Unternehmen bei der Umverteilung der Arbeitszeit unbedingt berücksichtigen müssen.

Vorteile der Arbeitszeitverkürzung

  • Ausgewogene Work-Life-Balance
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Höhere Mitarbeitermotivation
  • Gesteigerte Produktivität am Arbeitsplatz
  • Gesündere Mitarbeiter und weniger Krankheitstage
  • Stärkere Arbeitgebermarke

Nachteile der Arbeitszeitverkürzung

  • Geringeres Gehalt
  • Senkung der Rentenhöhe
  • Schrumpfung des beruflichen Netzwerks
  • Stress durch Verdichtung der Arbeit
  • Geringerer Anspruch auf Arbeitslosengeld
  • Verschlechterung der Teamstimmung
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Welche Bedeutung hat die 35-Stunden-Woche in der modernen Arbeitswelt?

New Work und Arbeitszeitflexibilisierung sind wichtige Begriffe, mit denen sich die moderne Arbeitswelt stark auseinandersetzt. Anstelle von 40-Stunden-Woche tritt nun die 35-Stunden-Woche, die als optimale Lösung bestehender Herausforderungen dargestellt wird. Sie bildet eine Antwort auf aktuelle Entwicklungen und Trends, die sich voraussichtlich auch in Zukunft fortsetzen.

Work-Life-Balance: Relevanz neuer Konzepte zur Arbeitszeitflexibilisierung

Bereits heute wünschen sich viele Arbeitnehmer nicht nur mehr Freiraum statt Kontrolle am Arbeitsplatz, sondern auch neue Arbeitskonzepte, die eine Work-Life-Balance ermöglichen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Familie und Freizeit zur Arbeitszeit erhöht die Mitarbeitermotivation, die sich auf die Arbeitsproduktivität entlang der gesamten Wertschöpfungskette überträgt. Des Weiteren kann die 35-Stunden-Woche zu mehr Gesundheit der Arbeitnehmer und folglich zu weniger Krankheitsausfällen führen.

Welche Relevanz hat die 35-Stunden-Woche für Unternehmen?

Neben Arbeitnehmern erkennen auch Unternehmen, dass die Arbeitszeitverkürzung eine positive Seite haben kann. Denn sie beeinflusst die Arbeitgebermarke und kommt verstärkt als Instrument von Employer Branding zum Einsatz. Dies ist besonders bei jenen Arbeitgebern der Fall, die hochqualifizierte Fachkräfte gewinnen sowie an den Betrieb langfristig binden wollen. Die 35-Stunden-Woche, wenn gleichzeitig ein attraktives Gehalt angeboten wird, kann junge Talente anziehen und die Wettbewerbsposition im harten „War for Talents“ verbessern.

Welche Herausforderungen gibt es für Unternehmen?

Dennoch müssen sich Unternehmen unabhängig von deren Größe und Branche im Klaren sein, dass der Weg zur Arbeitszeitverkürzung mit einigen Hürden verbunden ist. Die Anpassung von Vertriebsstruktur und Unternehmensprozessen an zeitgemäße Anforderungen ist oft der erste Schritt, den Unternehmen mit starren Hierarchien und langen Entscheidungswegen machen müssen (Stichwort: Organisationsentwicklung). An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Einführung der 35-Stunden-Woche nur bei bestehendem Interesse der Mitarbeiter eine Chance auf Erfolg hat.

Was müssen Unternehmen bei der Einführung einer 35-Stunden Woche berücksichtigen?

Umsetzung der verkürzten Wochenarbeitszeit braucht Zeit

Eine Umsetzung der 35-Stunden-Woche lässt sich nicht von einem auf den anderen Tag realisieren. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen langfristig angelegten Prozess, bei dem eine gut durchdachte Planung und eine aktive Beteiligung der Mitarbeiter eine wichtige Rolle spielen.

Integration der Mitarbeiter als Schlüssel zum Erfolg

Je früher die Unternehmensführung bzw. der Arbeitgeber jede Arbeitskraft in Pläne für die Verkürzung der Arbeitszeiten und die darauffolgende Neuorganisation der Arbeitstage in der Arbeitswoche einbindet, desto besser. Es kann durchaus passieren, dass nicht alle Mitarbeiter von der Arbeitszeitverkürzung begeistert sein werden. Deshalb ist es wichtig, jedem einzelnen Mitarbeiter freie Wahl bei der Arbeitszeit zu lassen.



Verfasst von Sandy Lanuschny

Den Mehrwert von Papershift stets im Blick, versorgt Euch Sandy mit spannenden Beiträgen zu den Themen Dienstplanung und Zeiterfassung.