Sind Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung sinnvoll?

Verschiedene Branchen und Berufsgruppen fordern Ausnahmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Die Begründungen beziehen sich meist auf die Art der Tätigkeit.
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Sind Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung sinnvoll?

Verschiedene Branchen und Berufsgruppen fordern Ausnahmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Die Begründungen beziehen sich meist auf die Art der Tätigkeit, die eine Arbeitszeiterfassung unmöglich mache oder zumindest schwierig gestalte. Was ist dran an diesen Forderungen, und sind Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung tatsächlich sinnvoll?

Auch wenn die Bundesregierung noch immer kein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht hat: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland besteht. Das ist spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022 klar.

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Richter, Wissenschaftler, Lehrer…

In letzter Zeit haben sich aber Vertreter unterschiedlicher Branchen und Gruppierungen zu Wort gemeldet, um Ausnahmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung zu fordern bzw. die Arbeitszeiterfassung für den eigenen Berufsstand von sich gewiesen. Zu letzteren gehören die Richter, genauer gesagt das Bundesarbeitsgericht höchstselbst.

Richterinnen und Richter seien nach Art. 96 Abs. 1 Grundgesetz unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Dazu gehöre auch, dass sich der von ihnen geleistete Arbeitseinsatz nach den in der richterlichen Geschäftsverteilung zugewiesenen Aufgaben und dem konkreten Richteramt bestimme. Dies sei für den geschuldeten Einsatz maßgeblich und nicht eine festgelegte Arbeitszeit.

Diese Argumentation erstaunt, zumal auch das Arbeitsschutzgesetz zu den Gesetzen gehört, denen Richterinnen und Richter unterworfen sind. Und dieses Arbeitsschutzgesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber die nötigen Mittel zur Erfassung der Arbeitszeit bereitzustellen hat. Entsprechend hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2019 in seiner Entscheidung zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung in der EU argumentiert.

Ein weiteres Beispiel sind wissenschaftliche Mitarbeiter. Hier wurden zuletzt ebenfalls Ausnahmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gefordert. Mit Bezug auf eine entsprechende Passage in der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie wurde damit argumentiert, die Arbeit von Wissenschaftlern lasse sich nicht messen und nicht im Voraus planen. Nur: Die angeführte Ausnahme in der EU-Arbeitszeitrichtlinie greift nur dann, wenn dies für die gesamte Arbeit gilt und nicht nur für Teile davon.

Dann wären da noch die Lehrer: Auch für sie soll es Ausnahmen geben – zumindest, wenn es nach dem Wunsch mancher Kultusminister geht. Der Philologenverband Baden-Württemberg sieht das jedoch ganz anders – und bereitet sogar eine Klage auf Einführung der Arbeitszeiterfassung vor.

Es gibt viele weitere Beispiele für Berufe, für die es Forderungen nach Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung gibt. Dabei wird eines gerne übersehen: worin der eigentliche Zweck der Arbeitszeiterfassung besteht. Es geht nämlich darum, dass die gesetzlich vorgegebenen Höchstarbeitszeiten von acht Stunden pro Tag (in Ausnahmen bis zu zehn Stunden pro Tag) sowie die Pausen- und Mindestruhezeiten eingehalten werden. Das alles dient vor allem dem Wohl und der Gesundheit der Arbeitnehmer.

Welche Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung sieht der Gesetzgeber vor?

Der aktuelle Gesetzentwurf sieht eine elektronische Form der Arbeitszeiterfassung verpflichtend vor. Allerdings sind Ausnahmen möglich: Kleinunternehmen bis zu zehn Mitarbeitern sowie tarifgebundene Unternehmen können die Arbeitszeiterfassung auch in Papierform durchführen.

Unklar ist noch, ob auch Führungskräfte von der Arbeitszeiterfassung betroffen sind. Zumindest leitende Angestellte mit umfassendem Handlungsspielraum dürften von der Regelung ausgeschlossen sein.

Passen die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit noch?

Natürlich lassen sich die aktuellen Regelungen zu den Arbeitszeiten hinterfragen. Passt ein Acht-Stunden-Tag noch in die heutige Zeit, in der sich viele mehr Flexibilität wünschen? Wäre es beispielsweise nicht besser, die maximale Arbeitszeit auf Wochenbasis festzulegen? Die EU-Arbeitszeitrichtlinie steht dem nicht entgegen.

Klar ist aber: Die Beschäftigten müssen vor Überarbeitung und auch vor Ausnutzung geschützt werden. In zahlreichen Berufen werden Arbeitsleistungen erbracht, ohne dass die dafür aufgewendete Arbeitszeit erfasst und vergütet wird. Man denke beispielsweise an Lehrer, die neben den Unterrichtsstunden sowie deren Vor- und Nachbearbeitung, der Teilnahme an Konferenzen und Elternabenden zusätzlich Klassenfahrten begleiten und weitere Arbeiten übernehmen. Die Arbeitszeiterfassung für manche Lehrer würde sicherlich ergeben, dass sie die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten bei Weitem überschreiten.

In welchen Fällen Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung wirklich sinnvoll sind

Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung sind dagegen überall dort sinnvoll, wo die Beschäftigten selbst über ihre Zeiten bestimmen können und einen großen Verantwortungs- und Handlungsspielraum besitzen. Das gilt natürlich für alle Selbständigen, die ohnehin von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen sind, und auch für Geschäftsführer und leitende Angestellte.

Für alle anderen ist die Arbeitszeiterfassung angebracht – wenn sie denn möglichst flexibel eingesetzt wird. Dazu bieten sich vor allem elektronische, mobile Zeiterfassungssysteme an.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.