Vielarbeiterabzug: weniger Steuern für Überstunden

Der sogenannte Vielareiterabzug sieht niedrigere Steuern für geleistete Überstunden vor. Kann die steuerliche Begünstigung von Überstunden einen Beitrag zur Milderung des Arbeits- und Fachkräftemangels leisten?
Steuererklärung Formular

© Stockfotos-MG / Adobe Stock

Vielarbeiterabzug: weniger Steuern für Überstunden

Der sogenannte Vielareiterabzug sieht niedrigere Steuern für geleistete Überstunden vor. Kann die steuerliche Begünstigung von Überstunden einen Beitrag zur Milderung des Arbeits- und Fachkräftemangels leisten?

Der Vorstoß von Carsten Linnemann, seit dem 12. Juli Generalsekretär der CDU, ist schon etwas älter: Ende Juni 2023 hatte er vorgeschlagen, dass Überstunden nicht mehr versteuert werden und nur noch Sozialabgaben abzuführen sind. Arbeitszeit jenseits der 40 Wochenstunden würde daher deutlich attraktiver, wodurch sich ein Anreiz für Mehrarbeit ergebe, so Linnemann.

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Doch kann ein solcher Vielarbeiterabzug, also eine steuerliche Begünstigung von Überstunden, wirklich funktionieren? Das hat der Bayreuther Ökonom David Stadelmann analysiert. Er ist Professor für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsentwicklung an der Universität Bayreuth. Wer wolle, könne nach Auffassung von Stadelmann bei einer geringeren Besteuerung zusätzlicher Arbeitsstunden freiwillig mehr arbeiten und erhalte dadurch deutlich mehr Einkommen.

Vorbild Österreich?

Stadelmann verweist auf Österreich: Dort würden Überstundenzuschläge für die ersten zehn Überstunden nur zur Hälfte besteuert. Für Deutschland schlägt Stadelmann die Einführung von Freibeträgen für Überstunden vor. So könne es zum Beispiel einen Freibetrag von 20 Euro pro Stunde ab der 41. Wochenarbeitsstunde geben.

Wohl nur für Vollzeitbeschäftigung geeignet

Dieses Modell würde sich wohl nur für Vollzeitbeschäftigte eignen. Gäbe es die Möglichkeit auch für Teilzeitkräfte, ergäbe sich dadurch ein Anreiz, von Vollzeit in Teilzeit zu wechseln, um auf diese Weise von den steuerermäßigten Überstunden zu profitieren. Zudem brauche es zur Vermeidung von Missbrauch eine funktionierende Arbeitszeiterfassung, wie Stadelmann weiter ausführt.

Mögliche Maßnahme gegen Fachkräftemangel

Stadelmann sieht die Steuerbegünstigung von Überstunden als geeigneter im Kampf gegen den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel als zum Beispiel die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Die niedrigere Besteuerung von Überstunden entspreche auch der Theorie optimaler Besteuerung.

Kritiker sehen mögliche Benachteiligung von Teilzeitkräften

Doch es gibt auch Kritik am Vorschlag Linnemanns: So sieht zum Beispiel der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, die Gefahr, dass Unternehmen versuchen könnten, zusätzliche Arbeit in Überstunden zu verlagern, anstatt sich um die Rekrutierung von Nachwuchs zu bemühen oder Teilzeitkräften die Möglichkeit zur Ausweitung ihrer Tätigkeit zu geben. Zudem gebe es zu wenige Erfahrungen in der Frage, ob Arbeitnehmer Überstunden aufgrund der Steuerlast ablehnen.

Zudem leide bei überlangen Arbeitszeiten die Produktivität, und es gäbe negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Nicht zu vergessen sei der negative Effekt auf die Steuereinnahmen durch die Begünstigung ohnehin geleisteter Überstunden.

Und schließlich gebe es durch die steuerliche Begünstigung von Überstunden einen zusätzlichen Anreiz, dass ein Partner besonders lange und dafür der andere gar nicht oder nur sehr wenig arbeitet. Da noch immer mehr Väter als Mütter in Vollzeit arbeiten, würde das die angestrebte Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen unterlaufen. Väter würden dann noch mehr, Mütter noch weniger arbeiten.

Bewertung

Trotz aller Kritik sollte die Möglichkeit steuerbegünstigter Überstunden nicht komplett außer Acht gelassen werden. Beschäftigte, die gerne mehr arbeiten würden, sollten diese Möglichkeit erhalten. Die Aussicht auf mehr Nettolohn könnte den Anreiz dazu stärken. Allerdings dürfen dabei mögliche Nebeneffekte nicht vergessen werden. Hier ist in erster Linie der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten zu nennen. Die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten sowie der Pausen- und Ruhezeiten muss gewährleistet sein. Dazu bedarf es einer effektiven und funktionierenden Arbeitszeiterfassung. Zudem müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern in Teilzeit die Ausweitung ihrer Arbeitszeiten ermöglichen, um damit anfallende Aufgaben zu erledigen. Dies musss im Zweifelsfall den Vorzug vor Überstunden erhalten. Und schließlich darf die Rekrutierung von Nachwuchs nicht unter zusätzlichen Überstunden leiden. Dies wäre bei Wahrung der zuvor genannten Bedingungen auch eher unwahrscheinlich.

Was die Reduzierung ungleicher Arbeitszeiten in Partnerschaften angeht, ist der Staat ohnehin in der Pflicht, entsprechende Möglichkeiten wie zum Beispiel eine bessere Kinderbetreuung zu schaffen.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.