Pflicht zur Arbeitszeiterfassung 2023: Das ist der aktuelle Stand

Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung warten Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland auf ein entsprechendes Gesetz. Doch schon jetzt ist klar: Die Arbeitszeiten müssen grundsätzlich erfasst werden.
Arbeitszeiterfassung per Armbanduhr

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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung 2023: Das ist der aktuelle Stand

Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung warten Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland auf ein entsprechendes Gesetz. Doch schon jetzt ist klar: Die Arbeitszeiten müssen grundsätzlich erfasst werden.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung 2023: Das Wichtigste in Kürze

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt bereits heute. Der aktuelle Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung sieht die folgenden Eckdaten vor:

  • Zu erfassen sind der Anfang, das Ende sowie die Dauer der Arbeitszeit. Die Arbeitszeiterfassung muss täglich und elektronisch erfolgen. Für Tarifparteien sind Ausnahmen vorgesehen. Sie können auch von der elektronischen Form der Arbeitszeiterfassung abweichen.
  • Arbeitgeber können die Arbeitszeiterfassung an die Arbeitnehmer delegieren. Sie sind allerdings trotzdem für die tatsächliche und korrekte Arbeitszeiterfassung verantwortlich.
  • Arbeitgeber müssen Nachweise über die erfasste Arbeitszeit im Inland sowie in deutscher Sprache bereithalten. Die Aufbewahrungspflicht für die Aufzeichnungen beträgt grundsätzlich zwei Jahre.
  • Vertrauensarbeitszeit soll weiter möglich sein. Allerdings gilt auch dann die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.
  • Der Arbeitgeber muss seinen Mitarbeitern auf Anfrage Auskunft über die aufgezeichnete Arbeitszeit geben.
  • Bevor das neue Arbeitszeitgesetz in Kraft treten kann, das die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung regelt, muss es noch den Gesetzgebungsprozess durchlaufen. Nach der Abstimmung im Kabinett bzw. der Bundesregierung muss das Gesetz außerdem vom Bundestag verabschiedet werden.

Wie kam es zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung?

Im September 2022 hatte das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil zur Arbeitszeiterfassung für Aufsehen gesorgt. Demnach sind Unternehmen in Deutschland grundsätzlich dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten zu erfassen. Das Bundesarbeitsgericht bezog sich auf das Urteil vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus dem Jahr 2019, das die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Unternehmen in den Ländern der EU festgestellt hatte.

Das Urteil warf jedoch einige Fragen auf, die bis heute unbeantwortet sind:

  • Gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Tätigkeiten und alle Beschäftigungsverhältnisse?
  • Ab wann muss die Arbeitszeit erfasst werden?
  • Sind Bußgelder zu befürchten, wenn die Arbeitszeiten nicht erfasst werden?
  • Welche Systeme zur Zeiterfassung sind zulässig?
  • Ist Vertrauensarbeitszeit weiter möglich?

Gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung schon?

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt jetzt schon. Vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im September 2022 galt der Grundsatz: Nur Überstunden sowie Arbeitszeiten an Sonntagen und Feiertagen müssen erfasst werden. Zudem gab es Vorgaben für bestimmte Branchen wie zum Beispiel die Gastronomie oder das Baugewerbe, in denen ebenfalls die Arbeitszeiten generell erfasst werden mussten.

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Mit dem Urteil des BAG hat sich dies geändert. Seither gilt die Annahme, dass die Arbeitszeiten generell zu erfassen sind – unabhängig von der Branche. Und das, obwohl es noch immer kein neues Gesetz gibt, das die Arbeitszeiterfassung regelt. Die Präsidentin des BAG, Inken Gallner, hat im Februar dieses Jahres noch einmal bestätigt, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland bereits jetzt besteht, und zwar unabhängig von der geplanten Gesetzesänderung.

Grundlage dafür ist Paragraph 3 Abs. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG). Dieses verpflichtet Arbeitgeber, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, welche die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Paragraph 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG sieht vor, dass Unternehmen zu diesem Zweck für eine geeignete Organisation zu sorgen und die entsprechenden Mittel bereitzustellen haben.

Nach Feststellung des BAG umfasst das auch die Verpflichtung der Arbeitgeber, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, mit dem der Beginn, das Ende und die gesamte Dauer der Arbeitszeiten einschließlich Überstunden erfasst werden können.

Bis wann müssen Unternehmen auf elektronische Arbeitszeiterfassung umstellen?

Für die Umstellung auf elektronische Arbeitszeiterfassung gelten die folgenden Fristen:

  • 1 Jahr ab 250 Mitarbeitern
  • 2 Jahre bei weniger als 250 Mitarbeitern
  • 5 Jahre bei weniger als 50 Mitarbeitern
  • Für Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern ist auch zukünftig eine Arbeitszeiterfassung in Papierform möglich. Das gilt auch für Tarifpartner.

Wann kommt das neue Gesetz zur Arbeitszeiterfassung?

Noch immer warten Unternehmen und Arbeitnehmer auf die Vorlage für ein neues Arbeitszeitgesetz. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte das Gesetz für das laufende Frühjahr angekündigt. Bisher ist aber noch nichts Konkretes von der Bundesregierung zu hören gewesen.

Immerhin ließ das Bundesarbeitsministerium verlauten, es solle einen „praxistauglichen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz“ geben. Das Gesetz solle demnach „den Lebenswirklichkeiten entsprechen“. Dabei soll zusätzliche Bürokratie vermieden werden. Gleichzeitig soll die Flexibilität der Beschäftigten gewahrt bleiben.

Digitale Arbeitszeiterfassung: Das sind die Vorgaben

Der aktuelle Referentenentwurf sieht vor, dass Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeiten erfasst werden müssen. Diese Zeiten müssen an dem Tag erfasst werden, an dem die Arbeiten angefallen sind. Für Tarifpartner sind Ausnahmen möglich. Hier muss die Arbeitszeit bis spätestens am siebten auf die Arbeitsleistung folgenden Arbeitstag erfasst werden.

Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung ist außerdem vorgesehen, dass das verwendete Zeiterfassungssystem objektiv, verlässlich und zugänglich sein muss:

  • Objektiv: Die Arbeitszeiten müssen und zweifelsfrei erfasst werden.
  • Verlässlich: Die Arbeitszeiten müssen gegen Manipulationen gesichert sein.
  • Zugänglich: Arbeitnehmer müssen auf ihre erfassten Arbeitszeiten Zugriff erhalten.

Unklar ist, wie mit Pausenzeiten oder kurzen Tätigkeiten nach Feierabend wie dem Prüfen auf neue E-Mails durch Mitarbeiter umzugehen ist. Dazu ist im aktuellen Gesetzentwurf nichts zu finden.

Welche Pflichten haben Arbeitnehmer bei der Arbeitszeiterfassung?

Auch wenn der Arbeitgeber die Verantwortung für die Arbeitszeiterfassung seiner Mitarbeiter trägt, kann er die Erfassung der Zeiten an seine Mitarbeiter delegieren. Dem Arbeitgeber obliegt es, seiner Verantwortung für die Arbeitszeiterfassung durch regelmäßige Stichproben nachzukommen.

Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihre Arbeitszeiten unter Berücksichtigung von Pausen wahrheitsgemäß einzutragen. Bewusste Falschangaben gelten als Arbeitszeitbetrug.

Wird Vertrauensarbeitszeit weiter möglich sein?

Derzeit ist davon auszugehen, dass auch mit Einführung des neuen Gesetzes zur Arbeitszeiterfassung Vertrauensarbeitszeitmodelle weiterhin möglich sein werden. Das ist vor allem für solche Tätigkeiten wichtig, bei denen sich die Mitarbeiter ihre Arbeit selbst einteilen können und die nicht nach starren Vorgaben oder festen Dienstplänen ablaufen.

Wichtig ist das auch für Arbeitnehmer, die unterwegs oder im Homeoffice tätig sind. Doch selbst für diejenigen von ihnen, die ihre Arbeitszeiten erfassen müssen, gibt es passende Lösungen, mit denen die Arbeitszeiten zum Beispiel per App oder per Browser eingetragen werden können.

Klar ist jedoch, dass Arbeitgeber das Einhalten der täglichen Höchstarbeitszeit sowie der Pausen und Ruhezeiten kontrollieren müssen. Es kann also durchaus zu Änderungen bei der Ausgestaltung der Vertrauensarbeitszeit kommen.

Kommt die Stechuhr zurück?

Die vor allem unter Arbeitgebern weit verbreitete Sorge, dass die klassische Stechuhr zurückkehren könnte, ist unbegründet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das neue Arbeitszeitgesetz Regelungen enthalten wird, die für ein hohes Maß an Flexibilität sorgen sollen. Dabei ist stets zu beachten, dass Sinn und Zweck des neuen Gesetzes die Wahrung der Gesundheit der Arbeitnehmer ist.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: gleiche Regeln für alle?

Im neuen Arbeitszeitgesetz wird es sehr wahrscheinlich eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Tätigkeiten sowie zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen geben. So werden vermutlich Führungskräfte und Geschäftsführer von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen sein. Das dürfte auch für Mitarbeiter gelten, deren Einkommen eine bestimmte Grenze überschreitet. Dazu könnte die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung von derzeit 7.300 Euro pro Monat in den alten Bundesländern bzw. 7.100 Euro pro Monat in den neuen Bundesländern herangezogen werden.

Derzeit sind bereits leitende Angestellte gemäß Paragraph 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen. Dabei handelt es sich vor allem um Führungskräfte, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung berechtigt sind oder über eine im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutende Prokura verfügen.

Dafür, dass es vermutlich Ausnahmen geben wird, sprechen verschiedene Anzeichen. So hat das BAG zum Beispiel selbst festgestellt, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht für Richter gilt. Ausnahmen werden zudem für die Wissenschaft und vergleichbare Tätigkeiten gefordert, die ein hohes Maß an Selbstorganisation mit sich bringen. Auch aus Teilen der Politik und aus der Wirtschaft kommen Forderungen nach Ausnahmeregelungen und nach möglichst viel Flexibilität bei der Arbeitszeiterfassung.

Sind bereits Bußgelder bei Verstößen gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung zu befürchten?

Der aktuelle Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung sieht für Verstöße gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit vor. Ein solcher Verstoß mit einem Bußgeld bis zu 30.000 Euro belegt werden können.

Es genügt nicht, wenn Arbeitgeber ein System zur Zeiterfassung anbieten. Sie müssen auch dafür sorgen, dass die Mitarbeiter das System nutzen und ihre tatsächlichen Arbeitszeiten eintragen.

Eine unmittelbare Gefahr von Bußgeldern wegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung besteht für Unternehmen vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes wohl nicht. Dies aus dem Grund, dass sich die Verpflichtung aus Paragraph 3 des Arbeitsschutzgesetzes ableitet, während ein Verstoß gemäß Paragraph 25 des Arbeitsschutzgesetzes jedoch nicht mit der Verhängung eines Bußgeldes bewährt ist.

Sollte ein Arbeitgeber jedoch von der zuständigen Arbeitsschutzbehörde gemäß Paragraph 22 Abs. 3 Ziffer 1 des Arbeitsschutzgesetzes dazu aufgefordert werden, seiner Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung nachzukommen, kann bei einem Verstoß ein Bußgeld in Höhe von maximal 30.000 Euro verhängt werden.

Eine Geldbuße ist außerdem möglich, wenn aufgrund der Aufzeichnungspflicht Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz dokumentiert und bewiesen werden.

Dies alles gilt so lange, bis das neue Arbeitszeitgesetz verabschiedet wurde und in Kraft getreten ist. Sehr wahrscheinlich wird das Gesetz neue Regelungen zu Bußgeldern bei Verstößen gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung vorsehen.

Fazit

Bis das neue Arbeitszeitgesetz vorliegt, werden einige Fragen zur Arbeitszeiterfassung offenbleiben. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Bundesregierung zeitnah einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt und damit für Sicherheit bei Unternehmen und Mitarbeitern sorgt. Klar ist jedoch: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt bereits heute.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.