Zusammenfassung
Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass es bei den Auswirkungen längerer Arbeitszeiten auf das Auftreten von Burnout-Symptomen auf das Geschlecht und den Beruf ankommt. Gerade in Berufen mit großem Fachkräftemangel wird oftmals bereits sehr lange gearbeitet, so dass eine Verlängerung der Arbeitszeiten kaum sinnvoll wäre.
Inhalt
Längere Arbeitszeiten und Burnout: aktuelle Analyse zeigt mögliche Zusammenhänge mit Geschlecht und Beruf
Längere Arbeitszeiten können das Risiko von Burnout-Symptomen erhöhen. Es kommt allerdings auf verschiedene Umstände an.
Die Debatte um Arbeitszeiten in Deutschland wird derzeit intensiv, zum Teil sogar hitzig geführt. Während einige Arbeitgeber und auch die Politik längere Arbeitszeiten ins Spiel bringen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und der Wirtschaft wieder neuen Schwung zu verleihen, plädieren andere Stimmen für mehr Flexibilität und potenziell kürzere Arbeitszeiten, um bestimmte Berufe attraktiver zu gestalten.
Eine aktuelle Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf Basis einer Befragung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirft ein differenziertes Licht auf den Zusammenhang zwischen der Dauer der Arbeitszeit und dem Risiko, Burnout-Symptome zu entwickeln. Die Analyse basiert auf Daten einer Befragung aus dem Jahr 2019 im Rahmen des Projekts „Digitalisierung und Wandel der Beschäftigung“ (DiWaBe).
Unterschiedliche Auswirkungen bei Frauen und Männern
Interessanterweise zeigen die Ergebnisse der Analyse, dass es beim möglichen Zusammenhang zwischen längeren Arbeitszeiten und Burnout-Symptomen deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Obwohl Männer im Durchschnitt signifikant länger arbeiten als Frauen, berichten sie seltener von Burnout-Symptomen. Der Anteil der Männer mit solchen Symptomen liegt bei 46 Prozent, während er bei Frauen mit 54 Prozent deutlich höher ist.
Der Geschlechterunterschied in der Arbeitszeit, der Männer im Durchschnitt 8,5 Stunden mehr pro Woche arbeiten lässt als Frauen, zeigt sich in fast allen Berufen. Besonders ausgeprägt ist dieser Unterschied in den Reinigungsberufen, wo Männer im Schnitt mehr als doppelt so lange arbeiten wie Frauen. Das deutet darauf hin, dass es sich bei den Teilzeitbeschäftigten, insbesondere in den Reinigungsberufen, überwiegend um Frauen handelt.
Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen längeren Arbeitszeiten und dem Auftreten von Burnout-Symptomen lässt sich laut der Analyse ausschließlich bei Frauen feststellen. Bereinigt um andere Einflussfaktoren erhöht sich bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, von mindestens einem Burnout-Symptom betroffen zu sein, wenn ihre tatsächliche Wochenarbeitszeit steigt. Eine Erhöhung der Arbeitszeit um fünf Stunden pro Woche geht demnach bei Frauen im Durchschnitt mit einer um 2,6 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit für Burnout-Symptome einher. Bei Männern hingegen ist kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Arbeitszeit und Burnout-Symptomen feststellbar; tatsächlich arbeiten Männer mit Burnout-Symptomen sogar durchschnittlich etwas weniger als ihre symptomfreien Kollegen.
Dieses Ergebnis legt nahe, dass das Burnout-Risiko bei Männern möglicherweise stärker von anderen Faktoren beeinflusst wird als von der reinen zeitlichen Belastung wie zum Beispiel der Art der Tätigkeit oder Aspekten des Privatlebens. Bei Frauen könnte neben der Arbeitszeitbelastung auch die Belastung durch Sorgearbeit eine Rolle spielen. Viele Frauen, die in Teilzeit tätig sind, verbringen einen großen Teil ihrer Zeit mit der Pflege von Angehörigen oder der Kindererziehung – alles Tätigkeiten, die ebenfalls belastend sein können. Bei einer Verlängerung der Arbeitszeit können diese Effekte entsprechend stärker ausfallen.
Beruf und Arbeitszeit hängen zusammen
Neben dem Geschlecht variiert auch die tatsächliche Arbeitszeit erheblich je nach Berufssegment. Die höchsten durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten werden in Sicherheitsberufen (46 Stunden) sowie in Verkehrs- und Logistikberufen (45 Stunden) geleistet. Am anderen Ende der Skala finden sich die Reinigungsberufe mit durchschnittlich nur 19 Stunden pro Woche. Das dürfte unter anderem am hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten in diesem Bereich liegen. Auch in sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen (37 Stunden) sowie medizinischen und nicht-medizinischen Gesundheitsberufen (35 Stunden) sind die durchschnittlichen Arbeitszeiten eher niedriger.
Daran wird deutlich, dass in vielen Berufsfeldern, in denen besonders starker Fachkräftemangel herrscht, bereits lange gearbeitet wird. Eine Verlängerung der Arbeitszeiten dürfte hier vor allem negative Effekte auf die Gesundheit der Mitarbeiter haben. Dagegen gibt es in anderen Berufsfeldern eine sehr hohe Teilzeitquote, so dass Potential für eine Ausweitung der Tätigkeiten besteht.
Forderungen nach allgemeiner Erhöhung der Arbeitszeiten nicht zielführend
Der Befund, dass längere Arbeitszeiten bei Frauen das Risiko signifikant erhöhen, zumindest gelegentlich unter Burnout-Symptomen zu leiden, stellt die pauschale Forderung nach einer Erhöhung der Arbeitszeiten als Mittel gegen den Fachkräftemangel infrage. Insbesondere in Berufen, in denen bereits heute schon lange gearbeitet wird, könnte das die gesundheitliche Belastung verstärken. Auch andere Arbeitsplatzbedingungen wie Termindruck oder die Sorge um den Arbeitsplatz können einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden haben.
Die Analyse legt nahe, dass anstelle genereller Forderungen nach längeren Arbeitszeiten eher das Potenzial von Personen ausgeschöpft werden sollte, die tatsächlich mehr arbeiten wollen, dies aber aufgrund bestehender Hindernisse wie mangelnder Kinderbetreuung bisher nicht tun können. Es sollte immer die individuelle Situation des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin berücksichtigt werden. Diejenigen, die gerne länger arbeiten möchten, sollten dazu die Gelegenheit und auch entsprechende Anreize erhalten.