Zusammenfassung
- Noch immer arbeiten Frauen pro Jahr deutlich kürzer als Männer.
- Die Lücke hat sich seit dem Jahr 2000 kaum reduziert.
- Hauptgrund ist die hohe Teilzeitquote bei Frauen.
- Die Gender Working Time Gap ist mit verschiedenen Nachteilen verbunden.
- Geeignete Lösungsansätze existieren.
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Inhalt
- Gender Working Time Gap ist seit 2000 kaum gesunken
- Hauptgrund ist die hohe Teilzeitquote bei Frauen
- Gender Working Time Gap auch innerhalb von Vollzeit und Teilzeit
- Ältere Beschäftigte arbeiten tendenziell länger, jüngere kürzer
- Gender Working Time Gap in Ostdeutschland geringer
- Nachteile der Gender Working Time Gap
- Wie lässt sich die Gender Working Time Gap weiter reduzieren?
- Bewertung und Ausblick
Gender Working Time Gap ist seit 2000 kaum gesunken
Noch immer arbeiten Frauen deutlich kürzer als Männer. Das liegt vor allem an der hohen Teilzeitquote bei Frauen.Daran hat sich seit dem Jahr 2000 wenig geändert.
Die Analyse der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden von erwerbstätigen Frauen und Männern in Deutschland offenbart eine signifikante Diskrepanz: Im Jahr 2023 lag die jährliche Arbeitszeit von Frauen im Mittel 24 Prozent unter der von Männern. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Die sogenannte Gender Working Time Gap hat sich in den letzten 25 Jahren nur geringfügig verringert und ist lediglich um vier Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2000. Bemerkenswert ist, dass diese leichte Annäherung nicht auf eine Verlängerung der Arbeitszeiten von Frauen zurückzuführen ist, sondern primär darauf beruht, dass Männer ihre durchschnittliche Arbeitszeit stärker reduziert haben, weil auch bei ihnen die Teilzeitarbeit zugenommen hat. Insgesamt verbringen Frauen durchschnittlich rund 350 Stunden pro Jahr weniger mit Erwerbsarbeit als Männer.
Hauptgrund ist die hohe Teilzeitquote bei Frauen
Ein wesentlicher Grund für die bestehende Arbeitszeitlücke ist die deutlich höhere Teilzeitquote von Frauen über den gesamten Erwerbsverlauf hinweg. Während mittlerweile fast 60 Prozent aller beschäftigten Frauen in Teilzeit arbeiten, sind es bei den Männern lediglich etwa 20 Prozent. Insbesondere mit der Familiengründung steigt der Anteil der Teilzeit bei Frauen und bleibt oft die Haupterwerbsform, auch wenn die Kinder älter werden. Häufig übernehmen Frauen auch die Pflege älterer Angehöriger und reduzieren dafür ihre Arbeitszeit. Im Gegensatz dazu überwiegt bei Männern die Vollzeitarbeit, obwohl auch bei ihnen die Teilzeitbeschäftigung in den letzten Jahren zugenommen hat. Männer arbeiten eher zu Beginn und am Ende ihres Berufslebens in Teilzeit, beispielsweise während des Studiums oder im Übergang in den Ruhestand.
Gender Working Time Gap auch innerhalb von Vollzeit und Teilzeit
Neben den unterschiedlichen Teilzeitquoten tragen auch abweichende Wochenstunden innerhalb der verschiedenen Erwerbsformen zum Gender Working Time Gap bei. So war die Jahresarbeitszeit vollzeitbeschäftigter Frauen im Jahr 2023 um etwa 5 Prozent kürzer als die ihrer männlichen Kollegen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass Frauen und Männer in unterschiedlichen Berufen und Branchen tätig sind. Zum anderen leisten Männer häufiger Überstunden oder sind in Führungspositionen mit sehr langen Arbeitszeiten vertreten. Aber auch die durchschnittliche Jahresarbeitszeit von Frauen in regulärer Teilzeit und in Minijobs liegt unter der von Männern in denselben Erwerbsformen.
Ältere Beschäftigte arbeiten tendenziell länger, jüngere kürzer
Betrachtet man die Unterschiede in den einzelnen Altersgruppen, so zeigt sich, dass in allen Altersphasen eine Arbeitszeitlücke existiert, die jedoch während der Familienphase, insbesondere bei den 30- bis 39-Jährigen, besonders ausgeprägt ist. In dieser Lebensphase ist die Jahresarbeitszeit erwerbstätiger Frauen aufgrund der hohen Teilzeitquoten besonders niedrig. Auch in höheren Altersgruppen gleichen sich die Arbeitszeiten von Frauen und Männern nur moderat an.
Bei Männern sind die Jahresarbeitszeiten in fast allen Altersgruppen gesunken, mit Ausnahme der älteren Generation, bei der die gestiegene Erwerbstätigkeit und geringere Teilzeitanteile im Vergleich zum Jahr 2000 zu längeren Arbeitszeiten geführt haben. Eine ähnliche, noch stärkere Entwicklung ist bei Frauen zwischen 60 und 64 Jahren zu beobachten.
Jüngere Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren weisen im Vergleich zu früher geringere Arbeitszeiten auf, was mit der gestiegenen Tendenz zum Studium und damit einhergehenden Jobs mit kürzeren Arbeitszeiten zusammenhängt. Bei den 25- bis 29-jährigen Frauen ist trotz eines Anstiegs der Teilzeitquote eine leichte Verlängerung der Arbeitszeiten erkennbar, was auf einen geringeren Anteil von Minijobs mit sehr kurzen Arbeitszeiten zurückzuführen ist, da in dieser Phase häufig der Berufseintritt erfolgt und die Familiengründung sich tendenziell in höhere Altersgruppen verschoben hat.
In der Altersgruppe der unter 20-Jährigen sind viele noch in der Ausbildung oder nur geringfügig beschäftigt, wobei bei Frauen in dieser Altersgruppe Minijobs gegenüber Ausbildungsverhältnissen überwiegen.
Eine gegenläufige Entwicklung zeigt sich bei älteren Erwerbstätigen, deren gestiegene Beschäftigungsquoten zu einer Verringerung des Anteils an Minijobs geführt haben. Das führt insbesondere bei den 60- bis 64-jährigen Frauen zu deutlich niedrigeren Teilzeitquoten als noch vor 20 Jahren.
Gender Working Time Gap in Ostdeutschland geringer
Auch regionale Unterschiede spielen eine Rolle. In Ostdeutschland ist die Gender Working Time Gap mit 18 Prozent deutlich kleiner als in Westdeutschland, wo sie 27 Prozent beträgt. Das wird darauf zurückgeführt, dass Frauen in den ostdeutschen Bundesländern seit DDR-Zeiten stärker in den Arbeitsmarkt integriert sind, was sich in einer höheren Erwerbsbeteiligung und niedrigeren Teilzeitquoten widerspiegelt. Zudem arbeiten ostdeutsche Frauen häufiger in vollzeitnahen Teilzeitpositionen und sind durchschnittlich länger erwerbstätig als westdeutsche Frauen.
Nachteile der Gender Working Time Gap
Die Gender Working Time Gap ist vor allem mit finanziellen Nachteilen für Frauen verbunden. Sie erzielen aufgrund geringerer Arbeitszeiten weniger Einkommen. Langfristig führt dies zu geringeren Rentenansprüchen und einer erhöhten Armutsgefährdung im Alter.
Weniger Arbeitszeit bedeutet oft auch eingeschränkte Möglichkeiten bei Beförderungen und beruflicher Weiterentwicklung. Frauen sind dadurch häufiger unterrepräsentiert in Führungspositionen.
Geringere Erwerbstätigkeit macht Frauen stärker abhängig von ihrem Partner oder von Sozialleistungen. Das kann zu weniger Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit führen.
Gesamtwirtschaftlich betrachtet reduziert die reduzierte Erwerbstätigkeit von Frauen das Arbeitskräftepotenzial und somit das wirtschaftliche Potential der Gesellschaft.
Wie lässt sich die Gender Working Time Gap weiter reduzieren?
Zunächst stellt sich die Frage, ob eine generelle Angleichung der Arbeitszeiten von Frauen und Männern das Ziel sein sollte, denn dieses ließe sich ja auch einfach dadurch erreichen, dass Männer weniger arbeiten, während die Arbeitszeit bei Frauen zumindest weitgehend konstant bleibt. Vielmehr geht es in dieser Frage darum, dass Frauen die Möglichkeit erhalten, länger zu arbeiten, damit sie die genannten Probleme und Nachteile kürzerer Arbeitszeiten vermeiden oder zumindest reduzieren können. Um dies zu ermöglichen, kommen verschiedene Ansätze in Frage.
Ein Hebel für eine Verringerung der Gender Working Time Gap ist eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Konkrete Maßnahmen sind zum Beispiel mehr Kita-Plätze sowie Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen, die es beiden Elternteilen ermöglichen, in Vollzeit zu arbeiten.
Auch flexible Arbeitszeitmodelle, Arbeitszeitkonten, Gleitzeit und die Möglichkeit, zumindest teilweise im Homeoffice zu arbeiten, können zu einer Angleichung der Arbeitszeiten zwischen Männern und Frauen beitragen.
Das Schaffen von Anreizen einer partnerschaftlichen Aufteilung von Care-Arbeit – etwa durch die Förderung von Elternzeit für Väter oder die Unterstützung von Männern, die in Teilzeit arbeiten möchten, kann wbenfalls zu einer Angleichung der Arbeitszeiten führen.
Ein weiterer Ansatz ist die Aufwertung von Teilzeitarbeit, etwa durch das Schaffen besserer Karrierechancen für Teilzeitbeschäftigte. Dazu bedarf es auch eines Mentalitätswechsels, so dass Teilzeitarbeit als vollwertige Arbeitsform anerkannt wird. Zudem sollten Unternehmen qualitativ hochwertige, anspruchsvolle und entsprechend gut bezahlte Teilzeitstellen schaffen, die gleichzeitig langfristige Perspektiven bieten.
Und schließlich muss die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit erleichtert werden. Zwar gibt es mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz und der darin beschriebenen Brückenteilzeit bereits entsprechende Möglichkeiten, doch unterliegen diese bestimmten Bedingungen und Beschränkungen. So muss zum Beispiel die Teilzeittätigkeit zwischen einem und fünf Jahren betragen, damit ein Anspruch auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle besteht.
Bewertung und Ausblick
Obwohl eine leichte Annäherung der Arbeitszeiten stattgefunden hat, bestehen weiterhin deutliche geschlechtsspezifische Muster in der Erwerbsarbeit, die maßgeblich durch die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit geprägt sind. Um diese Ungleichheiten zu verringern, sind weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen notwendig, die eine gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit ermöglichen und die Arbeitszeitpräferenzen von Frauen positiv beeinflussen. Das Ziel dabei ist es, die durch kürzere Arbeitszeiten verursachten Probleme und Nachteile zu verringern und damit vor allem eine bessere finanzielle Absicherung für Frauen zu schaffen sowie das Potential verfügbarer Arbeitskräfte im Land besser zu nutzen.