Die tariflichen Ausbildungsvergütungen übersteigen 2022 im Schnitt erstmals 1000 Euro

Bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen gab es nominell im Jahr 2022 einen starken Anstieg, so dass Auszubildende im bundesdeutschen Durchschnitt nun mehr als 1.000 Euro monatlich verdienen.
Auszubildende

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Die tariflichen Ausbildungsvergütungen übersteigen 2022 im Schnitt erstmals 1000 Euro

Bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen gab es nominell im Jahr 2022 einen starken Anstieg, so dass Auszubildende im bundesdeutschen Durchschnitt nun mehr als 1.000 Euro monatlich verdienen. Aufgrund der zuletzt hohen Inflationsraten ist das Realeinkommen jedoch gesunken.

Laut Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) betrug die Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen 2022 im bundesweiten Mittel 1028 Euro pro Monat. Der Anstieg zum Vorjahr betrug 4,2 Prozent und damit 1,7 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2021 (2,5 Prozent) und 1,6 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2020 (2,6 Prozent). Betrachtet man die Entwicklung der Vergütung für Auszubildende im Zeitverkauf, erscheint die aktuelle Erhöhung nicht als ungewöhnlich hoch. So gab es in den 2010er-Jahren mit Ausnahme von 2017 stets Erhöhungen von über drei Prozent. Der letzte Anstieg mit über vier Prozent fand im Jahr 2014 statt.

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Interessant ist auch ein Blick auf die Verteilung der Erhöhungen. So betrug die Steigerung der tariflichen Ausbildungsvergütungen bei 20 Prozent der Tarifverträge zwischen fünf und zehn Prozent. Bei zwölf Prozent der Tarifverträge betrug die Steigerung sogar mehr als zehn Prozent.

Realeinkommen trotz Erhöhungen gesunken

Trotz der deutlichen nominellen Erhöhung sind die realen Einkommen der Auszubildenden gesunken. Der Grund dafür ist hohe Inflationsrate. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich die Zusammensetzung des Warenkorbs von der eines durchschnittlichen Warenkorbs unterscheiden dürfte. So wird beispielsweise der starke Anstieg der Energiekosten zumindest für diejenigen der Auszubildenden weniger relevant sein, die noch zu Hause bei ihren Eltern wohnen.

West und Ost fast gleichauf

Im Vergleich zwischen West- und Ostdeutschland zeigen sich keine gravierenden Unterschiede bei den Ausbildungsvergütungen mehr. Sie liegen in den alten Bundesländern bei durchschnittlich 1029 Euro, in den neuen Bundesländen bei 1012 Euro. Dabei betrug der Anstieg im Osten zuletzt 4,9 Prozent gegenüber 4,0 Prozent im Westen.

Größere Unterschiede zwischen den Bundesländern

Ein Blick auf die tariflichen Ausbildungsvergütungen in den einzelnen Bundesländern zeigt größere Unterschiede. Baden-Württemberg nimmt den Spitzenplatz mit durchschnittlich 1077 Euro monatlich ein. Schlusslicht ist Schleswig-Holstein. Hier beträgt die tarifliche Ausbildungsvergütung im Mittel 1003 Euro. Das zeigt aber auch: In allen Bundesländern liegt der Wert über 1000 Euro. Der Anstieg war mit Werten zwischen 4,6 und 5,0 Prozent in allen ostdeutschen Bundesländern überdurchschnittlich. In den westdeutschen Bundesländern verzeichneten Hessen mit 4,7 Prozent und Hamburg mit 5,2 Prozent die größten Zuwächse.

Die Unterschiede in der Höhe sowie der Steigerungsraten der tariflichen Ausbildungsvergütungen in den einzelnen Bundesländern ist zum einen durch regionale Tarifverträge zu erklären. So liegen die tariflich vereinbarten Vergütungen in Baden-Württemberg in der Regel jeweils über dem Branchendurchschnitt. Aber auch die Aufteilung der Auszubildenden auf die Ausbildungsbereiche spielt eine Rolle. So liegt zum Beispiel in Baden-Württemberg der Anteil der Auszubildenden in Industrie und Handel um etwa vier Prozentpunkte höher als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Dagegen weist Schleswig-Holstein einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Auszubildenden im Handwerk auf. In diesem Ausbildungsbereich liegen die durchschnittlichen Vergütungen niedriger als in Industrie und Handel.

Tarifliche Ausbildungsvergütungen nach Ausbildungsbereich

In der Ausbildung wird unterschieden nach sechs unterschiedlichen Ausbildungsbereichen:

  • Öffentlicher Dienst
  • Industrie und Handel
  • Hauswirtschaft
  • Landwirtschaft
  • Freie Berufe
  • Handwerk

In vier der sechs Ausbildungsbereiche lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen im Mittel über 1000 Euro. Ausnahmen waren die freien Berufe mit 946 Euro sowie das Handwerk mit 930 Euro.

Der höchste Wert wurde im öffentlichen Dienst erzielt. Mit durchschnittlich 1114 Euro lag der Wert hier um 184 Euro höher als im Handwerk.

Die Abstände wurden jedoch geringer, denn die größten Zuwächse gab es mit 5,4 Prozent im Handwerk, während die Steigerung im öffentlichen Dienst lediglich 1,7 Prozent betrug.

Zu den Berufen mit den geringsten tariflichen Ausbildungsvergütungen gehörten 14 aus dem Handwerk sowie vier aus der Landwirtschaft (Landwirt, Fachkraft Agrarservice, Tierwirt und Winzer). Dort wurden jeweils im Mittel weniger als 850 Euro gezahlt. Das gilt auch für pharmazeutisch-technische Angestellte aus dem Ausbildungsbereich der freien Berufe.

In neun Handwerksberufen wurden durchschnittlich weniger als 800 Euro bezahlt. Dazu zählen Bäcker, Bodenleger, Raumausstatter und Parkettleger. Dafür lagen hier die Anstiege von 2021 auf 2022 bei mehr als fünf Prozent.

Der Ausbildungsberuf mit der niedrigsten durchschnittlichen Vergütung war der Beruf des Orthopädieschuhmachers mit 652 Euro.

Entwicklung der Ausbildungsvergütungen in Berufen mit Besetzungsproblemen

In bestimmten Branchen und Ausbildungsberufen haben Unternehmen Probleme beim Finden von Nachwuchs. Das führt zu einer wachsenden Anzahl nicht besetzter Ausbildungsstellen. Betroffen sind beispielsweise die Gastronomie, das Lebensmittelhandwerk und teilweise das Baugewerbe.

Wie attraktiv ein Ausbildungsberuf für junge Menschen ist, hängt auch von der Bezahlung ab. Allerdings spielt diese nicht die wichtigste Rolle bei der Entscheidung. Als bedeutsamer werden die Arbeitsmarktchancen, die Karrierechancen, die Arbeit mit Menschen und die Möglichkeit zum Einbringen von Ideen und Vorschlägen in die Arbeit erachtet. Dass sich die Präferenzen junger Arbeitnehmer von denen früherer Generationen unterscheiden, zeigen auch andere Studien und Erhebungen für die Generation Y und Generation Z. So spielt zum Beispiel auch ein angenehmes Arbeitsumfeld eine wichtige Rolle für junge Menschen.

Zu den Ausbildungsberufen mit Besetzungsproblemen gehören auch solche mit einer überdurchschnittlichen Ausbildungsvergütung. Sie lag zum Beispiel für Beton- und Stahlbetonbauer und Gerüstbauer bei rund 1200 Euro. Diese Berufe wiesen außerdem einen überdurchschnittlichen Anstieg von 4,9 Prozent für Beton- und Stahlbetonbauer bzw. 7,1 Prozent für Gerüstbauer auf.

Die höchsten Anstiege unter allen Ausbildungsberufen wiesen die Berufe des Hotelkaufmanns und des Restaurantfachmanns auf. Hier betrug der Anstieg 16,7 bzw. 18,7 Prozent.

Trotz Problemen mit der Nachbesetzung von Ausbildungsplätzen lagen die durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen für Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk, Bäcker und Bodenleger mit weniger als 850 Euro besonders niedrig. Hier reichten selbst überdurchschnittliche Erhöhungen nicht aus, um diese Berufe auf eine mittlere oder hohe Platzierung bei der Bezahlung zu bringen.

Fazit

Trotz zuletzt starker Anstiege der nominellen Ausbildungsvergütung sind die realen Gehälter für viele Auszubildende gesunken. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die genannten Zahlen für das gesamte Jahr 2022 gelten und bei vielen Abschlüssen in der ersten Jahreshälfte die Inflation noch nicht berücksichtigt wurde.

Es zeigt sich außerdem eine Tendenz zur Angleichung sowohl zwischen West und Ost als auch zwischen den einzelnen Ausbildungsbereichen und Ausbildungsberufen. In den Ausbildungsberufen mit den geringsten Vergütungen gab es vielfach die höchsten Wachstumsraten.

Eine höhere Vergütung alleine wird jedoch nicht ausreichen, um offene Ausbildungsstellen in wenig gefragten Ausbildungsberufen besetzen zu können.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.