1. Mai: Diskussionen um Arbeitszeiten in Deutschland

Zum 1. Mai gab es wieder einmal einen Schlagabtausch zwischen Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Arbeitszeit in Deutschland.
Fachkräftemangel

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1. Mai: Diskussionen um Arbeitszeiten in Deutschland

Zum 1. Mai gab es wieder einmal einen Schlagabtausch zwischen Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Während aus der Wirtschaft vor allem eine Ausweitung der Arbeitszeiten gefordert wird, verwahren sich andere gegen den Ausdruck vom “Freizeitpark Deutschland”.

Arbeitgeberpräsident fordert mehr statt weniger Arbeit

Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, kommt es naturgemäß zu Diskussionen rund um die Beschäftigung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten hier unterschiedliche Standpunkte, von denen derzeit vor allem die Bewertung der aktuellen Arbeitszeiten sowie deren gewünschte Entwicklung im Vordergrund stehen.

So forderte heute Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, es brauche mehr und nicht weniger Arbeit in Deutschland. Es werde hierzulande zu viel über die Bedingungen von Nicht-Arbeit und zu wenig über den Wert der Arbeit diskutiert. Man müsse sich auf die Frage konzentrieren, wie man den Standort Deutschland wieder attraktiver gestalten könne. Dazu gehöre auch, dass man mehr und länger arbeiten müsse. Auch sei es wichtig, die Rahmenbedingungen der Arbeit zu verbessern. Arbeit sei mehr als eine Notwendigkeit. Das müsse zum. 1. Mai stärker in den Fokus gerückt werden. Es gebe keinen anstrengungslosen Wohlstand.

Bundeskanzler Scholz nimmt Arbeitnehmer in Deutschland in Schutz

Bundeskanzler Olaf Scholz erwiderte, die Deutschen hätten noch nie so viel gearbeitet wie im vergangenen Jahr. Es ärgere ihn, wenn manche abschätzig vom “Freizeitpark Deutschland” redeten. Scholz lehnte eine Anhebung des Renteneintrittsalters ab. Dies werde auf absehbare Zeit nicht kommen.

Wer hat Recht? Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) scheinen auf den ersten Blick dem Standpunkt der Arbeitgeber zu entsprechen. Demnach liegt die Pro-Kopf-Arbeitszeit in Deutschland bei 1.341 Stunden im Jahr. Das ist der niedrigste Wert aller OECD-Länder. Rechnet man die Erwerbsbeteiligung mit ein, also den Anteil derjenigen, die einer bezahlten Beschäftigung nachgehen, erhält man die Anzahl von Arbeitsstunden pro Einwohner. Und auch hier rangiert Deutschland mit 1.031 Stunden im Jahr 2022 weit hinten. Nur in Frankreich, Belgien, Italien und in der Türkei ist der Wert noch niedriger. In Griechenland wurde zudem gerade die 6-Tage-Woche eingeführt, wobei die Arbeitszeit im Land ohnehin schon deutlich über der in Deutschland liegt.

Ein Grund für die geringe Pro-Kopf-Arbeitszeit in Deutschland ist die hohe Teilzeitquote im Land. Vor allem Frauen sind in Teilzeit tätig. Das liegt zum Beispiel an noch immer vielerorts fehlenden Möglichkeiten zur Kinderbetreuung. Insgesamt lag die Teilzeitquote in Deutschland im Jahr 2023 bei 39 Prozent. Auch bei Männern zeigt sich ein zunehmender Wunsch nach Teilzeitarbeit, weil sie zum Beispiel mehr Zeit mit der Familie verbringen möchten.

Vergleicht man die Arbeitszeiten der Vollzeitbeschäftigten, steht Deutschland dagegen im internationalen Vergleich deutlich besser da. Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt für Beschäftigte in Vollzeit in Deutschland 40,4 Stunden. Im EU-Durchschnitt sind es 40,5 Stunden.

Pauschale Urteile nicht zulässig

Es ist also Vorsicht geboten, wenn man den deutschen Beschäftigten pauschal Arbeitsunlust unterstellen möchte. Dafür spricht auch ein Blick auf die im Land geleisteten Überstunden, deren Anzahl im Jahr 2023 rund 1,3 Milliarden betrug. Ein großer Teil der Überstunden wurde nicht bezahlt. Außerdem hat die Anzahl der Erwerbstätigen in Deutschland mit aktuell 45,7 Millionen Menschen einen neuen Rekordwert erreicht. Das entspricht einer Erwerbstätigenquote von 76,9 Prozent.

Dennoch ist auch klar, dass es sich Deutschland nicht leisten kann, immer weniger zu arbeiten, wenn der bestehende Wohlstand nicht gefährdet werden soll. Weniger Arbeitsstunden durch eine höhere Produktivität auszugleichen, wird nicht vollständig gelingen und ist auch nicht in allen Berufen möglich. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, durch den die Zahl der Beschäftigten in manchen Branchen und Berufen rückläufig ist.

Gleichzeitig ist es auch wichtig, die Wahlfreiheit bezüglich der Arbeitszeiten beizubehalten. Jeder soll selbst entscheiden können, wie viel oder wie wenig er oder sie arbeiten möchte. Klar ist allerdings auch: Wer weniger arbeiten möchte, muss dafür Abstriche bei der Bezahlung hinnehmen.

Die volkswirtschaftliche Dimension

Stetig sinkende Arbeitszeiten bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Reallöhnen sind nicht möglich. Ein Beibehalten oder ein Anstieg der Nominallöhne bei sinkender Produktion wird dagegen zu höheren Preisen und damit zu einem Anstieg der Inflation führen.

Deutschland sieht sich also einigen großen Herausforderungen gegenüber. Weniger Arbeit wird zwangsläufig zu weniger Wohlstand führen. Das kann man akzeptieren. Möchte man das vermeiden, bleibt nur, Anreize für mehr Arbeit zu setzen. Das kann zum Beispiel durch bessere Betreuungsangebote für Kinder berufstätiger Eltern erreicht werden, von der vor allem Frauen profitieren würden, die gerne in Vollzeit arbeiten würden, dies aktuell aber nicht umsetzen können.

Mehrarbeit sollte sich auch finanziell mehr lohnen. Hier sind Arbeitgeber und auch der Staat in der Pflicht. Arbeitgeber sollten Leistung stärker belohnen. Dazu zählen beispielsweise Zuschläge für Überstunden oder für ungeliebte Arbeitszeiten wie zum Beispiel an Wochenenden. Der Staat muss seine Besteuerung so anpassen, dass sich daraus stärkere Anreize für mehr Leistung ergeben. Hier wären zum Beispiel eine generelle Senkung der Einkommensteuer oder auch steuerfreie Überstunden zu nennen.

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Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.