Österreich: ÖGB fordert Umverteilung der Arbeitszeiten zwischen Frauen und Männern

Männer sollen kürzer arbeiten, Frauen dafür länger. Das fordert der Österreichische Gewerkschaftsbund. Das lasse sich ohne Einbußen beim Wohlstand realisieren. Wirtschaft und Arbeitgeber sehen das anders.
Arbeitszeit in Österreich - Bürogebäude in Wien bei Abenddämmerung

© neiezhmakov / Adobe Stock

Österreich: ÖGB fordert Umverteilung der Arbeitszeiten zwischen Frauen und Männern

Männer sollen kürzer arbeiten, Frauen dafür länger. Das fordert der Österreichische Gewerkschaftsbund. Das lasse sich ohne Einbußen beim Wohlstand realisieren. Wirtschaft und Arbeitgeber sehen das anders.

Auch in Österreich sind Diskussionen zur Verkürzung der Arbeitszeit an der Tagesordnung. Für neuen Zündstoff sorgte jetzt ein Vorschlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) für ein neues Familienarbeitszeitmodell. Väter sollen sich demnach stärker an der Kinderbetreuung beteiligen. Dazu sollen Männer und Frauen ihre Arbeitszeiten freiwillig angleichen. Im Endergebnis soll sich die Arbeitszeit für beide Partner zwischen 28 und 32 Stunden einpendeln. Dazu wird es in den meisten Fällen erforderlich sein, dass Männer ihre Stundenzahl reduzieren, während Frauen länger arbeiten. Anreize dafür soll es in Form steuerfreier Zahlungen geben. Nach einem Vorschlag des ÖGB könnten das pro Monat 250 Euro für jeden Elternteil sein mit einer Laufzeit beginnend nach dem Ende der Karenz, also der Dienstfreistellung im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes, bis höchstens zum vierten Lebensjahr des Kindes.

manage shift planning, timesheet and sta
Kostenlos anmelden
Papershift - Ihre Organisation in der Cloud
  • Dienstpläne erstellen
  • Arbeitszeiten erfassen
  • Urlaub planen
  • Lohnabrechnungen erstellen
  • Arbeitsdaten analysieren
Testen Sie Papershift 14 Tage kostenlos & unverbindlich
Jetzt 14 Tage kostenlos testen Live Demo vereinbaren

Österreich: Viele wünschen sich kürzere Arbeitszeiten

Insgesamt zeigt sich auch in Österreich ein verbreiteter Wunsch nach einer verkürzten Arbeitszeit über verschiedene Branchen und Sektoren sowie Bildungsschichten hinweg. Vor allem Beschäftigte in der Dienstleistung können sich laut der Österreichischen Arbeiterkammer (AK) vorstellen, kürzer zu arbeiten. Wer weniger als 30 Stunden pro Woche arbeitet, wünscht sich dagegen häufig eine Erhöhung des wöchentlichen Stundenpensums. Eine Senkung der Arbeitszeit kommt vor allem für diejenigen in Betracht, die mehr arbeiten. Das biete laut AK Potential für einen Ausgleich.

Laut dem Modell des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung Wien (WIFO), das die Zahlen für die AK zusammengestellt hat, ergäbe sich durch die Umsetzung der verschiedenen Wünsche nach Anpassung der Arbeitszeiten ein unmittelbarer Anstieg der Beschäftigung im Vergleich zum Basisjahr. Gleichzeitig würde die Arbeitslosenquote sinken, während die Arbeitsproduktivität ansteigen würde. Einen Anstieg gäbe es auch bei den Stundenlöhnen und bei den Preisen.

Unter der Annahme, dass kein Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung erfolge, würde sich nach zehn Jahren der Zuwachs bei der Beschäftigung bei etwa 0,8 Prozent einpendeln. Bei Lohnausgleich läge das anfängliche Plus bei 1,6 Prozent und nach zehn Jahren bei 0,7 Prozent.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde durch eine solche Veränderung sinken, aber um einen Anteil von weniger als einem Prozent. Dieser Effekt würde sich nach zehn Jahren aber ausgleichen.

Aus diesen Zahlen leitet der Chefökonom der AK, Markus Marterbauer, die Forderung ab, dass den Wünschen der Beschäftigten nachgegeben werden sollte. Dabei bleibt allerdings offen, wie der aktuelle Wohlstand erhalten werden kann, wenn die Beschäftigten insgesamt kürzer arbeiten und entsprechend weniger Lohn erhalten.

Möglich sei es laut Marterbauer, zukünftige Lohnerhöhungen in Form von Freizeit zu konsumieren. Das könne zum Beispiel in Form zusätzlicher Urlaubstage erfolgen. Aus wirtschaftlicher Sicht sei es sinnvoll, den Wünschen der Beschäftigten nachzukommen und zum Beispiel Teilzeit zu ermöglichen und die Arbeitszeit zu reduzieren. Unternehmen, die sich hier flexibel zeigen, seien auch diejenigen, die ihre Mitarbeiter halten können und die damit dem Fachkräftemangel trotzen.

Wirtschaft in Österreich steht einer Arbeitszeitverkürzung kritisch gegenüber

Auf Seiten der Wirtschaft und der Arbeitgeber sieht man das erwartungsgemäß etwas anders. Österreich liege mit durchschnittlich 36,75 Stunden für Vollzeitbeschäftigte bereits jetzt im unteren Drittel der EU. Zudem sei die Teilzeitquote in Österreich sehr hoch, und die Beschäftigten gingen früh in Pension. Das Renteneintrittsalter in Österreich liegt für Männer, die nach dem 30. Juni 1968 geboren sind, bei 65 Jahren. Für die früheren Jahrgänge ist das Renteneintrittsalter geringer, wobei es verschiedene Abstufungen gibt. Für Frauen liegt das Regelpensionsalter bis zum Jahr 2024 bei 60 Jahren. Ab dem Jahr 2033 sind es 65 Jahre.

IV: Anreize für späteren Pensionseintritt und für Vollzeitarbeit schaffen

Nach der Vorstellung der Industriellenvereinigung in Österreich (IV) sollten Anreize für eine Beschäftigung über das Pensionsalter hinaus gesetzt werden. Es sei außerdem sinnvoll, die Kinderbetreuung und die Kinderbildung auszubauen. Vollzeitarbeit solle attraktiver gemacht und qualifizierte Zuwanderung gefördert werden.

Durch die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 32 Stunden käme es zu deutlichen Lohn- und Gehaltseinbußen. Daraus ergäben sich sowohl volkswirtschaftliche Nachteile als auch Auswirkungen auf die persönliche finanzielle Zukunft der Beschäftigten, die sich im Lauf des Erwerbslebens auf den Wert einer Eigentumswohnung summieren würden, ist sich IV-Präsident Georg Knill sicher.

Eine Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf vier Tage sei bereits jetzt möglich. Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich würde jedoch zu einer unmittelbaren Erhöhung des Stundenlohns um 20 Prozent führen und dem Standort Österreich schaden.

Verschärfung des Fachkräftemangels durch kürzere Arbeitszeiten?

Auch mit Blick auf den herrschenden Fachkräftemangel wird eine Verkürzung der Arbeitszeit in Österreich kritisch gesehen. Obwohl die Unternehmen im Vergleich zum Jahr 2019 etwa 170.000 zusätzliche Mitarbeiter beschäftigen, fehlen laut Ansicht der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) Arbeitskräfte. Das liege daran, dass heute im Vergleich zurzeit vor der Covid-Pandemie durchschnittlich 1,5 Stunden pro Woche weniger gearbeitet werde. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung würde den Fachkräftemangel zusätzlich verstärken. Das Arbeitsvolumen sei das Fundament von Wohlstand und die Finanzierung des Sozialstaats, so Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der WKÖ.

Würde die sinkende Zahl der Beschäftigten im Erwerbsalter auch noch kürzer arbeiten, würde es irgendwann einen Einbruch geben. In vielen Fällen würden die Arbeitszeitwünsche der Mitarbeiter berücksichtigt. Die Arbeitszeit sei aber abhängig von Betriebsablauf, Öffnungszeiten und den Bedürfnissen der Kunden, so Gleißner weiter. Nachhaltigkeit sei, wenn man denjenigen Anreize bieten würde, die Überstunden leisten oder länger arbeite wollen, anstatt Vorgaben zu den Arbeitszeiten für alle zu machen.

Fazit

Auch in Österreich stehen sich also beim Thema Arbeitszeiten widerstreitende Interessen gegenüber. Auf der einen Seite stehen die Arbeitnehmer mit ihren Wünschen nach einer besseren Work-Life-Balance und mehr Freizeit, auf der anderen Seite die Unternehmen, die sich um ihre Produktion sorgen und befürchten, offene Stellen nicht besetzen zu können.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass es auf beiden Seiten auch abweichende Wünsche und Vorstellungen gibt. So würden viele Beschäftigte gerne mehr anstatt weniger arbeiten, während es auch viele Unternehmen gibt, die sinkende Arbeitszeiten und mehr Flexibilität gewähren können, ohne dass es zu Einbußen im Geschäft kommt.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.