Präsident der DIHK fordert längere Arbeitszeiten von Teilzeitkräften: Ist das realistisch?

Um dem herrschenden Fachkräftemangel zu begegnen, fordert der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) Teilzeitkräfte dazu auf, mehr Stunden zu arbeiten. Wie realistisch ist das?
Kassiererin im Supermarkt als Teilzeit-Job

© Joshhh / Adobe Stock

Präsident der DIHK fordert längere Arbeitszeiten von Teilzeitkräften: Ist das realistisch?

Um dem herrschenden Fachkräftemangel zu begegnen, fordert der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) Teilzeitkräfte dazu auf, mehr Stunden zu arbeiten. Wie realistisch ist das?

Mit einem Anteil von 29,5 Prozent im Jahr 2022 war fast jeder dritte Arbeitnehmer in Deutschland in Teilzeit beschäftigt. Im EU-Durchschnitt lag die Teilzeitquote im selben Jahr dagegen bei nur 18,5 Prozent.

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Der vergleichsweise hohe Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist ein Grund dafür, dass die durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Deutschland so kurz ist wie in keinem anderen Land Europas. Mit gerade einmal 1340 Stunden pro Arbeitnehmer und Jahr belegt Deutschland den letzten Platz. Der EU-Durchschnitt liegt bei 1571 Stunden pro Jahr.

Angesichts des herrschenden Arbeits- und Fachkräftemangels in vielen Branchen verwundert es nicht, dass es immer wieder Forderungen nach längeren Arbeitszeiten seitens der Wirtschaft gibt. Zu dieser Gruppe gehört auch Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Er hat jetzt Teilzeitbeschäftigte dazu aufgefordert, länger zu arbeiten. Gegenüber der Funke Mediengruppe erklärte Adrian, es würde sehr helfen, wenn viele Teilzeitkräfte einige Stunden pro Woche mehr arbeiten würden. Allerdings müsse dazu die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert werden. Damit sei es dann für Eltern möglich, ihre Arbeitszeit auszuweiten.

Als Begründung für seine Forderung verwies Adrian auf die Schweiz: Dort liege die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit der Bevölkerung um 90 Stunden höher. Bei Vollzeitbeschäftigten seien es sogar 230 Stunden. Das führe zu höheren persönlichen Einkommen und einem höheren Wohlstand.

Adrian lehnt nach eigenen Worten eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich nicht grundsätzlich ab, doch passe dieses Arbeitszeitmodell nicht in jedes Unternehmen. Die Verbraucher wünschen sich laut Adrian Dienstleistungen an fünf oder besser sechs Tagen die Woche. Das sei mit der Vier-Tage-Woche nicht machbar. Weniger zu arbeiten verschärfe den Fachkräftemangel und die damit verbundenen Lücken in der Volkswirtschaft.

Mehr Arbeit für Teilzeitkräfte: So einfach ist das nicht

Auch wenn die Idee verlockend scheint, durch längere Arbeitszeiten für Teilzeitkräfte einen Teil des Fachkräftemangels zu kompensieren, so stehen dem einige praktische Probleme entgegen. So würden zum Beispiel aktuell 5,7 Prozent der in Teilzeit Beschäftigten gerne in Vollzeit arbeiten, finden aber keine passende Stelle. Viele Teilzeitkräfte lehnen eine Ausweitung ihrer Tätigkeit in Richtung einer Vollzeitstelle ab. Nach einer aktuellen Studie betrifft dies rund 75 Prozent oder drei Viertel der Teilzeitkräfte.

Und selbst wenn es nicht um einen Wechsel von Teilzeit in Vollzeit geht, sondern lediglich um eine Ausweitung des Stundenkontingents im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung, kann das mit Hindernissen verbunden sein. Einer Verlängerung der zeitlich befristeten Arbeitszeit steht nämlich § 9a Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) entgegen. Dort ist geregelt, dass ein Arbeitnehmer während der zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit keine weitere Verringerung und keine Verlängerung verlangen kann.

Allerdings ist eher davon auszugehen, dass Unternehmen mit einer entsprechenden Arbeitsnachfrage von sich aus Bereitschaft für eine Ausweitung der Arbeitszeiten von Teilzeitkräften zeigen dürften.

Wohlstand als Argument für längere Arbeitszeiten fragwürdig

Wenn es um die Ausweitung der Arbeitszeiten geht, wird oftmals mit einem dadurch wachsenden Wohlstand argumentiert. Diese rein monetäre Sichtweise blendet jedoch Wohlstand aus, der sich durch frei verfügbare Zeit ergibt. Aus diesem Grund müssen stets verschiedene Kriterien in die Betrachtung einbezogen werden.

Fazit

Die Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften kann ein Baustein bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels sein. Allerdings werden sich die bestehenden Probleme alleine dadurch nicht lösen lassen. In der Praxis gibt es nämlich verschiedene Hindernisse: Erstens dürften viele Beschäftigte längere Arbeitszeiten ablehnen, und zweitens ist eine Ausweitung der Arbeitszeiten bei denen, die dafür offen sind, in vielen Fällen gar nicht möglich.

Solange es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Teilzeit gibt und die Menschen mit ihrem Wohlstandsniveau zufrieden sind, ist eine Trendumkehr hin zu längeren Arbeitszeiten nicht zu erwarten. Aktuelle Entwicklungen wie die Forderungen der GDL, der IG Metall und von ver.di nach einer Vier-Tage-Woche deuten eher in die andere Richtung.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.